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75 Jahre nach Kriegsende

Wie geht es Euch? Wie geht es Euch? – ist in diesen Tagen der Corona-Pandemie wohl eine der häufigsten Fragen, wenn man sich nach dem Befinden und der Gesundheit seiner Verwandten, Freunde oder Bekannten erkundet. Nur wenige Wochen nach dem Ende des letzten Krieges war das Schicksal vieler Menschen in Europa und fast der ganzen Welt ungewiss.

 

Der ausDurbach stammende Anton Serrer schrieb am 17. Juli 1945 an seine Verwandtschaft in Durbach-Unterweiler:

 

 

 

17. Juli 1945 Meine Lieben Alle: Hoffentlich seid Ihr noch alle am Leben und habt den Krieg gut überstanden, es hat ja mit einem großen Fiasko geendet, was ja vorauszusehen war. Aber die Nazi sind wir los geworden dadurch. Wir sind noch alle am Leben Gott sei Dank. Auch der Anton ist noch mit heilen Knochen zurückgekommen, was ja die Hauptsache ist. Am Pfingstmontag ist er angekommen. Die Freude war bei allen groß. Er hat zuletzt gegen den Russen gekämpft. Wir sind hier in Dorsten am 28. März Amerikaner geworden. Dorsten wurde kampflos übergeben, es wehten überall weiße Fahnen. Aber vorher mussten wir sehr viel mitdurchmachen durch die Bomber-Verbände, die haben schwer gehaust hier im Ruhrgebiet auch die Stadt Dorsten ist bald ganz dem Erdboden gleich. Auch ich habe hier am 22. März eine schwere Bombe auf das Schlachthaus und Wurstküche bekommen, ich selbst wäre beinahe dabei umgekommen es handelt sich um ein paar Sekunden. Das Wohnhaus blieb stehen, es war ja immer noch viel kaputt. Aber wir haben die Wohnräume schon wieder fertig. Auch das Schlachthaus und Wurstküche habe ich schon wieder aufgebaut und in nächster Zeit geht der Betrieb wieder rund, denn die Maschinen sind noch erhalten und Gott sei Dank habe ich jetzt Hilfe, der Anton, ach was bin ich froh daß der wieder da ist. Meine Lieben, wie geht’s auch bei Euch noch. Hoffentlich nicht abgebrannt! Wie ich gehört habe sind in Durbach schwere Kämpfe vor sich gegangen. Wenn Ihr diesen Brief bekommt, dann lasst ach Anni und Frieda in Offenburg lesen und schickt uns Nachricht ob Ihr noch alle am Leben seid. Auch Wörner in der Stöck. Von Großweier haben wir schon einen Brief bekommen von jemand mitgebracht. Diesen Brief nimmt jemand von hier mit. Die Frau ist von hier und zur Zeit hier auf Besuch und geht morgen früh wieder nach Weiher bei Brühl, die wohnt dort. Es grüßt Euch alle vielmals Anton und Alle. Anmerkung: Der Brief zeigt „die Stimmung im Volk“ kurz nach dem Kriegsende. Der Brief-Schreiber Anton Serrer stammte von Durbach, Unterweiler und war in Dorsten , Nordrhein-Westfalen wohnhaft. Seine Nachfahren wohnen heute z.T. in Wesel. Der ehemalige Pfarrer Karl Lehn hielt 1946 nachstehende Sonntagspredigt an seine zahlreich versammelte Gemeinde: Der Krieg ist zu Ende, aber die Kriegsgeißel spüren wir immer wieder, bald sehr schwer, bald erträglicher. Ich brauche Euch nur folgende Zahlen anführen: 161 Krieger unserer Pfarrei sind noch nicht heimgekehrt, davon sind 86 irgendwo in Gefangenschaft, wenn sie noch am Leben sind, 75 haben überhaupt noch kein Lebenszeichen gegeben. Sie alle brauchen unser christliches Fürbittgebet, ob sie leben oder tot sind. Heute müssen wir leider wieder eines Heimatsohnes gedenken, der in englischer Kriegsgefangenschaft gestorben ist. Michael Eble, 32 Jahre alt, (Sohn der Ehel. Hubert Hubert Becher u. Adelheid Eble) Nach den Mitteilungen an seine Eltern war er bei einem Holzmachereinsatz in Oldenburg u. ist dort an den Folgen eines Unfalles am 2. Januar 1946 im Lazarett gestorben. Wir nehmen herzlich Anteil an dem harten Geschick, das über die Familie Becher gekommen ist. Und das umso mehr, als es schon der zweite Sohn der Familie ist und ein dritter Sohn, der zu den Kriegskämpfern gehört, bis jetzt noch kein Lebenszeichen gegeben hat.

Mai 2020, Josef Werner

 

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