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Die Kapellenruine St. Anton im Durbacher Hardtwald

In unserer von Gott so reich gesegneten Landschaft finden wir bei ausgedehnten Wanderungen abseits der bequemen Wege immer wieder kleine Kostbarkeiten in der Natur oder einfach am Wegesrand.

Wenn in den vergangenen Jahrzehnten auch manches Kleinod dem oft notwendigen Übel der Planierraupen oder Modernisierungen von Gebäuden weichen mußte, so bleiben für den Interessierten immer noch vielfache steinerne Denkmäler, die von der wechselhaften Geschichte in der „Herrschaft Staufenberg“ erzählen.

Durbach, Nesselried, Bottenau und Nußbach sind denn auch die Bestandteile dieser ehemaligen Herrschaft, die reich an Geschichte und Sagen ist.

Ein verbindendes Glied dieser Gemeinden war über Jahrhunderte hinweg der „Hardtwald“ – ein Genossenschaftswald von der Talsohle in Durbach-Stöcken bis nach Nußbach ins Renchtal reichend. Sicherlich haben auch Sie sich schon mal darüber Gedanken gemacht woher diese Bezeichnung für den Wald kommt. Hardtwälder gibt es in vielen Gegenden, wie z.B. der Hardtwald bei Karlsruhe, der Reinhart in Hessen oder auch der Speßhart.

Im Handwörterbuch der deutschen Sprache aus dem Jahre 1835 habe ich folgende Beschreibung eines Hardtwaldes gefunden.  „- ehedem ein Gebirge, ein gebirgiger Wald, ein Harzwald, in Schwaben auch ein Gebüsch, ein Gesträuch. – Die Schreibweise ist einmal mit Hart, das andere mal mit Hardt, zu finden“. 

Jedenfalls war dieser ursprünglich sehr ausgedehnte und große Wald im Mittelalter so recht geschaffen für Einsiedler und Leute, die ihr Leben in Abgeschiedenheit, verbunden nur mit Gott und der Natur, verbringen wollten. 

Dem Gebet in der Einsamkeit hatten sich auch die Einsiedler und Mönche verschrieben, die einst auf „St.Anton“ im Staufenberger Hardtwald ihr Leben fristeten. In seinem Bericht über Schloß Staufenberg in der Mortenau schreibt K. Asbrand (Jahr 1859 in Badenia das badische Land und Volk) „Architektonische Raritäten wird Keiner hier erbeuten, wer aber ein Ohr hat für Stimmen, in welchen Waldeseinsamkeit und gebrochenes Gemäuer zum schlichten Menschenherzen reden, den wird ein Gang zur stillen zertrümmerten Waldkapelle wohl nicht gereuen.“

Wer von Nesselried oder vielleicht auch Appenweier her kommt, der kann sich mit der Wegbeschreibung von K. Asbrand zum Schlösschen Wiedergrün auch den Weg zum Hardtwald und der St.Anton-Kapelle vor Augen führen. Er beschreibt dies wie folgt: Wiedergrün rinnt aus einer Gebirgsfalte, die sich vom Rheinthal aus zum Stollenberg hinanzieht, der Hühnlemattenbach (heute „Hähnlebach“) . Ein freundliches grünes Thälchen ist’s man wandert es gern hinauf. Ziemlich hoch oben steht eine Gruppe Häuser, aus denen gleich der erste Blick eines    als etwas sehr Besonderes ausscheidet. Es ist „der Widergrüner Hof“ mitten in den feuchten Wiesen des dort ziemlich breiten Thalgrundes, auf einem kleinen Bühl ein massives viereckiges Steinhaus.

Wenn wir an diesem, bereits im 13. Jahrhundert bekannten Hof angekommen sind, dann stehen wir auch unmittelbar am Rande des großen Hardtwaldes. Hier wurde bereits 1348 von Andreas von Widergrün an Matthäus rohart „den halben Bühel, gelegen in dem wyger zu Widergrün und das hauß, des daruff stat und den teil des Vorhofes, der Conrats von Widergrün was“ – verkauft.  – Also einer der nachweislich ältesten Rebberge in Durbach.  

Die ganze Nordseite und früher wohl auch der Südabhang über Hilsbach – Bühl und Plauelrain war zumeist von einem Eichenwald bedeckt, den man den Staufenberger Hart nannte. Asbrand schreibt noch: „Zur Zeit, da noch edleres Gethier drin hauste als Hasen und Füchse, umfaßte der Forst auch das jetzt so offene freundliche Thälchen, worin Widergrün liegt.  Waldgenossen waren die Gemeinden Appenweier, Nußbach, Erlach, Zusenhofen, Nesselried und die Gemeiner von Staufenberg.

Steigen wir nun von Wiedergrün kommend, rechts durch den Hardtwald auf dessen höchste Erhebung, so sehen wir an der Nordwestseite das Hofgut und die Kapellenruine „St.Anton“ als Ziel unserer Wanderung. 

Wer noch vor wenigen Jahren die Kapellenruine suchte, mußte ein gut geschultes Auge für das „Verborgene“ haben. Überwuchert mit Efeu, abgeschirmt durch wilden Obstbaumwuchs und teilweise verdeckt durch Schopfanbauten an der Seite und der Rückfront, konnten nur Ortskundige an den einfachen Altar im Innern des Kirchleins kommen. Landwirtschaftlichen Zwecken diente das Schleifdach, das den durch einen Fahrweg geteilten Kirchenbau im rückwärtigen Teil verunstaltete. Es sah wirklich aus wie eine „Einsiedlerklause“. Das Kniebänkchen vor dem einfachen mit Steinen des umgebenden Hardtwaldes sowie Sandsteingewänden aus den Ruinen errichteten Altars in Form einer kleinen Grotte bot einsamen Wanderern Platz für ein stilles Gebet.

Die genaue Entstehungszeit dieser Einsiedelei ist bis heute nicht bekannt. Vermutlich zum erstenmal wird das Kirchlein mit Bruderhaus im Staufenberger Hart in einer Urkunde vom 23.11.1455 genannt.  

Hans Vittel von Nesselried vermacht „uff Sonnentag nechst vor Sant Katherinen Dag 1455, am 23. November“ all seine Habe unter Beisein der Zeugen, des Leutpriesters Obrecht Grützer zu Ebersweier, aller Zwölfer des Gerichts zu Staufenberg und des Zwölfers H. Henselin vom Gericht zu Griesheim, dem Bruderhaus und den armen Brüdern von St. Antonien, zum Trost seiner Seele und zu Ehren des Himmelfürsten St. Antonien.

Vittel war offensichtlich selbst einige Jahre „Klausner“, d.h. Einsiedler, gewesen. Vermutlich schon einige Jahre früher war die Einsiedelei mit dem Bruderhaus St. Anton durch die Franziskaner besetzt. Seit 1424 bestand im Bistum Straßburg die deutsche Konregation der Franziskaner Tertiarier, welche in Baden und Württemberg über 100 Klöster umfaßte.

Es waren dies die Brüder „von der 3ten Regel Francisci“, d.h. sie waren Mitglieder jener merkwürdigen Laienverbrüderungen, wie sie, ein Zeichen der Zeit, sich seit dem Ende des 14. Jahhunderts als Tertiarier mehreren Mönchsorden anschlossen. Der Franziskanerorden hatte nach einem großartigen, weitsichtigen Plan des hl. Franziskus eine breite Grundlage erhalten im sog. III. Orden. Franziskus suchte nämlich den Plan durchzuführen, die Gläubigen in denkbar weitestem Umfang für die Grundgedanken seiner Gründung, für Armutsliebe, Vereinfachung der Lebenshaltung, Verwirklichung des christlichen Lebensideals zu interessieren, zu gewinnen und heranzuziehen. 

Die Besitzungen der Franziskanerklöster waren zum großen Teil auf Vermächtnisse oder Vererbung von solchen Tertiarvereinigungen zurückzuführen. Die Offenburger Franziskaner gründeten unser Antoniusklösterlein an der Grenze der damaligen Pfarrei mit Bruderhaus und Kirche. In demselben lebten Brüder von der Regel des hl. Franziskus als eine klösterliche Genossenschaft.

Bis heute ist es nicht eindeutig, welcher hl. Antonius ursprünglich in unserer kleinen Waldkapelle verehrt wurde. Einerseits ist festzustellen, daß die Franziskaner aus Offenburg, die wohl als Gründer dieser Einsiedelei anzusehen sind, den hl. Antonius von Padua verehrten, andererseits ist den Überlieferungen auch zu entnehmen, daß die bäuerliche Bevölkerung unserer Gegend im 17. Jahrhundert eher den sogenannten Viehheiligen „Antonius Eremita“ beachteten. 

Ich möchte deshalb die Geschichte beider Heiligen etwas näher bringen. 

So feiern wir am 17. Januar den hl. Antonius, der allgemein als Viehheiliger dargestellt wird. 

Sein Attribut ist der T-förmige Antoniusstab, der der ägyptischen Kreuzesform entspricht. Antonius wurde 251 n.Chr. in der oberägyptischen Stadt Koma als Sohn reicher Eltern geboren. Als er sich in jungen Jahren entschloss ein heiliges Leben zu führen, gab er sein großes Vermögen den Armen, übergab seine Schwester, die noch ein Kind war, frommen Personen zur Erziehung, und brachte seine Zeit mit Gebet, Anhörung des Wortes Gottes, Arbeit, Enthaltsamkeit und Liebesdiensten zu. Er gilt als der Heilige, der unter großen „Versuchungen“ zu leiden hatte und immer wieder gegen diese Angriffe des Teufels ankämpfen musste. Voll Sehnsucht nach dem einzigen Umgang mit Gott, entfloh er in die Wüste auf einen Berg, wo er in den Ruinen eines Schlosses zwanzig Jahre ganz unbekannt lebte. Dann wurde er plötzlich bekannt und eine große Menge Schüler bestürmten ihn, ihr Lehrer und Führer zu sein. Antonius gründet nach und nach mehrere Klöster und so hatte er bald sechstausend Mönche in Klöstern und Einsiedeleien unter seiner Führung. Sehr viele Menschen, denen ihr Seelenheil angelegen war, suchten bei ihm Rat und Unterweisung, wie sie recht Gott dienen könnten. Von Antonius ist auch der Ausspruch überliefert, daß kein Mensch, der am Guten festhalten will, vom Teufel überwältigt wird, weil dieser ja nicht einmal in die Schweine ohne besondere Erlaubnis von Christus einfahren könne. Der Viehheilige Antonius starb im Jahre 356 im wahrhaft biblischen Alter von 104 Jahren.. Zumeist wird er als Klausner dargestellt mit verschiedenen Tieren, wobei auch meist ein Schwein zu seinen Füßen liegt.

Trotz der wohl für die Gegend passenden Verbindung zum Viehheiligen gehe ich eher davon aus, daß  unser Patron  in der Durbacher Waldkapelle der hl. Antonius von Padua ist, dessen Fest am 13. Juni gefeiert wird. Er war Sohn eines vornehmen Offiziers in Portugal und hieß zuerst Ferdinand. Die Welt und ihr Glanz zog ihn nicht an, deshalb wollte er sich dem geistlichen Stand widmen. Zuerst lebte er bei den Augustinern in Lissabon. Später ging er dann in ein Kloster von Coimbra. Hier studierte er die geistlichen Wissenschaften und übte sich im Gebet. In dieser Zeit kamen die Reliquien von einigen Franziskanern nach Coimbra. Dies weckte in ihm das Verlangen auch für Christus sein Blut zu vergießen. Er trat den Franziskanern bei und fuhr auf sein Drängen hin als Missionar nach Afrika. Eine langwierige Krankheit nötigte ihn jedoch bald wieder zur Rückkehr nach Europa. Es traf sich, daß der Ordensstifter, der hl. Franziskus, ein sogen. Generalkapitel hielt. Danach führte Antonius in einem kleinen Koster bei Bologna ein stilles und strenges Leben. Eines Tages wurde er zusammen mit anderen Anwärtern nach Forli gesandt um dort die Priesterweihe zu erhalten. Der Bischof verlangte von den Anwärtern eine Rede. Einer nach dem andern hatte eine Ausrede und auch Antonius erklärte in seiner Bescheidenheit, er sei mehr geübt das Küchengeschirr abzuspülen, als das Wort Gottes zu verkündigen. Endlich, weil der Bischof auf seinem Verlangen bestand, stieg Antonius auf den üblichen Platz und fing an, zuerst ganz einfach zu reden. Im Verlauf der Rede ergriff ihn mehr und mehr das Feuer des Heiligen Geistes; und er verbreitete sich mit ganz wunderbarer Erleuchtung und Tiefe über die Geheimnisse Gottes, so daß alle erstaunten und selbst gestanden, so hätten sie kaum je einmal in ihrem Leben predigen hören. Auf Bitten des hl. Franziskus zog Antonius in den Städten und Dörfern umher und hatte bei seinen Predigten einen so großen Zulauf, daß zuweilen über 30 000 Personen auf einmal ihm zuhörten. Meist predigte er im Freien, da auch die größten Kirchen für die Zahl der Zuhörer zu klein waren. Als ein Beispiel der Wirksamkeit seiner großen Predigten wird erzählt, dass einmal eine Schar von 22 Banditen, die viel Unheil mit Rauben und Morden verübten, aus Neugier in die Kirche kamen. Da machte die Predigt des hl. Antonius eine solche Wirkung auf  die verwilderten Menschen, dass sie als bußfertige Sünder wieder gingen und ihn baten die Beichte zu hören. Antonius scheute sich auch nicht ungeliebte Wahrheiten dem Volk zu predigen. Auch damals war es schon so, dass man bei Leichenreden dem Verstorbenen die besten Tugenden bescheinigte wenngleich dieser womöglich ein großer Gauner war.  So wurde auch einmal der hl. Antonius ersucht, eine Leichenpredigt bei einem sehr reichen Mann zu halten. Dessen Habsucht und Geiz war aber wohlbekannt. Antonius lehnte den Antrag nicht ab, sondern hielt eine Predigt über die Bibelstelle: „Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz.“  Er zeigte die große Thorheit, wenn man nur immer mehr Geld zusammenraffe und darüber seine unsterbliche Seele verloren gehen lasse. „Damit ihr aber sehet,“ sagte er, „wohin die Habsucht den Menschen bringt, so wisset, daß dieser Tote in dem höllischen Feuer begraben ist, sein Herz aber findet ihr in seinem Geldkasten.“ Da sollen dann mehrere Zuhörer in das Haus des Verstorbenen gegangen sein; man habe den Kasten geöffnet und hier mitten unter dem Geld ein Herz gefunden, das noch rauchte und zuckte. 

Noch vieles könnte man hier über den hl. Antonius berichten. Seine letzte Zeit lebte und wirkte er in Padua. Im Jahre 1231 starb er in frühen Alter von 36 Jahren.  kurz nach seinem Tode wurde eine prachtvolle Kirche zu seinen Ehren von der Stadt Padua gebaut. Als nun das Grab des hl. Antonius geöffnet wurde, um seine Gebeine als verehrungswürdige Reliquien in dem neuen Dom beizusetzen, so fand sich, daß der ganze Leib in Verwesung übergegangen, seine Zunge jedoch so frisch und rot geblieben war wie bei einem lebendigen, gesunden Menschen. Diese Zunge wird jetzt noch in einem kostbaren Reliquienkästchen in der Kirche des hl. Antonius zu Padua gezeigt. 

 

Wenden wir uns wieder unserer kleinen Waldkirche zu. 

Auch Sie war geschaffen für Predigten an das Volk, das über lange Zeit hierher in die Einsamkeit kam um das Wort Gottes zu erfahren. Auch die heutige Ruine zeigt noch an der Südwand (außen) einen schön behauenen Konsolenstein, der auch die Außenkanzel trug. An der Innenseite der Kapelle führte eine Treppe hoch, welche an einer Empore endete, von der aus auch die Außenkanzel zu betreten war. Die Aufleger der Empore sind im Gemäuer ebenfalls noch vorhanden. Die Wallfahrer kamen nicht nur aus Durbach, sondern vermutlich von allen umliegenden Ortschaften. Ein Haupt-Zugangsweg bestand über den früher als „Capelweg“ bezeichneten heutigen „Stöckweg“, an welchem bis vor einigen Jahrzehnten auch noch ein Brunnen lag, dessen Wasser die Pilger vor dem steilen Anstieg zum Wallfahrtsort erfrischte. (Oberhalb Anwesen Christian Klantzmann, Stöcken, Pfandbuch Durbach vom 26.Juni 1786.)

Auch die im Hardtwald und Umgebung seit ca 1550 bis um 1790 tätigen Bergleute dürften an diesere Kapelle des öfteren der Predigt gelauscht haben. In der Blütezeit des Bergbaues beim St. Anton waren in Durbach teilweise über 50 Bergleute beschäftigt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, daß der auch für damalige Verhältnisse sehr große Ort Durbach erst 1620 eine eigene (evangelische) Kirche bekam, die dann nach dem 30jährigen Krieg 1648 auf Betreiben des Staufenberger Lehensherrn, Wilhelm von Orscelar zur katholischen Kirche erhoben wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Durbacher, und mit ihnen natürlich auch die Nesselrieder Gläubigen, nur auf die Gotteshäuser der umliegenden Gemeinden, wie Appenweier, Ebersweier, Offenburg, Gengenbach, Nußbach, Oberkirch und Oppenau angewiesen. Die seit 1360 erbaute St.Georgskapelle auf Schloss Staufenburg diente nur den Burgfamilien. Der Umfang der St.Anton-Kapelle war dazu geeignet, eine relativ große Menschenzahl aufzunehmen. Mit einer Länge von 17,5 Metern, im Langhaus eine Breite von 8,5 Meter, im Chor von 6 Meter, stellt auch die heutige Ruine noch ein stattliches Bauwerk dar. 

Die Wiedergrün von Staufenberg waren als Forstherren im Hardtwald gleichzeitig auch die Schutzherren des kleinen Klosters. Noch im 16. Jahrhundert entschied Markgraf Christoph einen Streit über diese Schutzherrlichkeit zwischen Wilhelm Hummel von Staufenberg und denen von Wiedergrün dahin, „Wenn es auch wahr sei, daß nicht die Widergrün allein, sondern alle Staufenberger das Bruderhaus zu St. Antonien mit Gütern ausgestattet, so stehe doch den Widergrün als Forstherrn des Hartwalds ausschließlich die Regierung des Bruderhauses zu.“ Die Forstherrlichkeit im Hart war eben ein streng an das Schlösschen Wiedergrün gebundenes Hoheitsrecht. 

Das Bruderhaus und das Kirchlein „St. Anton“ waren auch mit Gütern ausgestattet. Der als Pfleger fungierende Melchior Wiedergrün zu Staufenberg verlieh mit einer umfangreichen Urkunde vom 23. Dezember 1482 (Montag nach Sankt Thomas) an die Cunrat Biser’schen Eheleute zu Nesselried ein Kapital von 6 Mark Pfennig zu 5% (6 Schilling Pfennig). Als Pfand wurden 4 Jeuch Feld im Großeacker (Crießbaumen und am Hardt im Nesselrieder Bann) gegeben. 

1528 leihen die Dibolt Ferer’schen Eheleute von Nesselried (evtl. Serrer) von Hansen Friedrich Widergrin von Staufenberg als Pfleger der Capelle und des „Bruderhuses St. Anonii des heiligen Bichtigers“, gelegen im Staufenberg Hart 5 Mark Pfenning zu 5% (5 Schilling Pfennig) und verpfänden dafür 2 Jeuch Feld und 1 Tauen Matten vor der Hennengaßen und in der Sulz im Nesselrieder Bann.  

1549 – uff Montag nach Hylary 1549, 14. Januar leihen vor Schultheiß und Zwölfern des Gerichts Staufenberg die Jakob Byser’schen Eheleute von Nesselried von Hannsen Jakob Widergrin von Staufenberg als Pfleger der St. Antoniencapelle bei Hilsbach 6 Mark Pfennig zu 5% (6 Schilling Pfennig und verpfänden dafür 1 ½ Jeuch Feld an der Schybhalden und der Fydereißgaß und 10 Steckhaufen Reben auf der Husek.

Die erste Kapelle wurde im Bauernkrieg 1524/25 zerstört. Durch milde Gaben wurde eine neue Wallfahrtskirche im Renaissancestil etwa zwischen 1540 und 1550 erbaut. In den Akten ist 1549 eine „St. Antoniuskapelle (sant Anthenyen Capelle) erwähnt.

Im Januar 1632 zogen die Schweden unter dem Pfalzgrafen Christian von Birkenfeld, einem Bundesgenossen von Gustav Adolf, über die Rheinbrücke bei Kehl. Nach dem Durchzug durch das Hanauerland ließ er die Orte Urloffen und Appenweier sowie die Umgebung ausplündern. Das widerstandslose Schloß Staufenberg wurde geplündert, die damals noch evangelische Kirche in Durbach verwüstet, die Ornamente geraubt. Bei diesem verheerenden Treiben verschwand auch das Antoniusklösterlein, die Kirche desselben wurde wieder zur Ruine gemacht. Auch das Schlösschen Wiedergrün wurde bei dieser Gelegenheit bis auf die Grundmauern zerstört. Nach dem 30jährigen Krieg wurde der Chorteil von St.Anton noch als kleine Kapelle benutzt; im Chor wurde eine Querwand eingezogen. 

Der 30jährige Krieg war ein furchtbarer Umgestalter gewesen. Wer jetzt von der Höhe des Staufenberg hinabschaute auf die Ebene, der sah kaum die Hälfte der alten Ansiedlungen, Weiler und Höfe mehr, dagegen viel viel größere Dörfer. Der Krieg hatte die Leute enger zusammengescheucht. 

Ein durch den pfälzischen Erbfolgekrieg heimatlos gewordener Bildhauer baute die Antoniuskapelle wieder auf. Es entwickelte sich bald wieder ein reger Wallfahrtsbetrieb. Geistliche lasen die hl. Messe, die barocke Nahwallfahrt blühte. Den Bildhauer hatte es wieder in seine Heimat getrieben, Durbachs Bürger versahen den Mesnerdienst. 

Obwohl über eine nochmalige Zerstörung der St.Anton Kapelle nichts geschrieben steht, ist doch zu erwähnen, daß 1689 die französische Armee anrückte. Amtmann Grünlinger und sein Amtsschaffner Neumetzler ritten mit je einem Fass rotem und weissem Wein ins französische Lager in Stadelhofen um die Gefahr für die Herrschaft Staufenberg abzuwenden. Es half nichts. Mit 200 Mann kamen die Franzosen vor das Schloß und es wurde alles geplündert und zerstört, was nur zu erreichen war. Grünlinger war mit seiner Familie nach Harmersbach geflüchtet. Bei seiner Rückkehr begann eine schwere Zeit, weil er die für die Franzosen aufzubringenden Contributionen nach Fort Louis bei der ausgeraubten Bevölkerung nicht mehr auftreiben konnte.

Grünlinger starb 1712 auf Schloß Staufenberg. Für seine Jahrtagsfeier hatte er 50 fl in die Pfarrkirchen St. Heinrich und in die Liebfrauenkapelle zu Nesselried legiert. Es wurden 100 Totenmessen für ihn gelesen.

Im Jahre 1693 lag die ganze französische Armee 5 lange Wochen in der Nähe von Staufenberg, 14 Tage lang bei Urloffen und Appenweier. Bald „gab es von Basel bis Frankfurt keinen ärger verwüsteten Ort als die Herrschaft Staufenberg“. Die Talmündungen waren in den Händen der Franzosen, im Hochgebirg standen die Kaiserlichen. Täglich knatterten die Schüsse der Fouragierscharen in den Tälern, täglich stiegen Rauchsäulen brennender Gehöfte auf. Als die Franzosen im hinteren Tal eine Schlappe erlitten, hieben sie eine Masse der Durbacher Reben um.

In Nesselried standen von allen Häusern nur noch die vier Eckpfosten, alles Andere hatte man in’s Lager geschleppt.  In diesen Tagen kam der französische Graf M é l a c  auf Staufenberg und wollte dort eine Garnison einrichten. Weil aber nicht genügend Trinkwasser für seine Besatzung vorhanden war gab er diesen Plan auf.

1704 lagen die Truppen von Marschall Villeroi bei Offenburg. Da wurde auch das Durbacher Tal und mit ihm St. Anton zerstört. Die Reben mit den gerade damals so reichen Segen verheißenden unreifen Trauben und die Obstbäume wurden umgehauen, das Amthaus im Dorf und des Schultheißen Haus brannten nieder. Die Leute flohen wieder mit ihrem bißchen Habe ins hohe Gebirg und litten schweren Mangel. 

Im Jahre 1741 bezog ein Eremit namens Anton Wullich die Klause und übernahm den Mesnerdienst. Der Staufenbergische Amtmann begrüßte es, daß das Haus neben der Kapelle dauerhaft bewohnt war; denn kurz vorher hatte ein Dieb den Opferstock geraubt. Er war in Kehl gefaßt und für seine Verbrechen in Baden-Baden gehängt worden. Wullich, der aus Offenburg stammte, trat 1751 seine Klause an Peter Gemppler ab, der aus Oberachern kam und Sohn eines Krämers war. Wullich ließ sich im kurpfälzischen Leutershausen nieder, sah sich jedoch dem Gespött (Lutheraner) ausgesetzt und kehrte nach St. Anton zurück. Er sah sich 1753 genötigt, einen Bittbrief an den markgäflichen Lehensherrn zu schreiben; sein Ordenskleid sei zerrissen, „wegen Ungewitter und Schloßen“ könnten die Durbacher Rebbauern keine Unterstützung mehr gewähren. Der Zulauf nach St. Anton hatte nicht zuletzt auch deswegen wahrscheinlich nachgelassen, weil die Wendelinuswallfahrt sich als Konkurrenz erwies. Wullichs Nachfolger Georg Steinberger aus Benzheim kam nach St.Anton, um wie er schrieb, „mich dadurch in einer mehreren Einsamkeit, als ich zuvor gehabt, zu begeben, so fort Gott dem Allmächtigen meinem Beruf nach besser dienen zu können.“. Am 29.7.1759 wird vermeldet, daß Steinberger sein Haus bei St. Anton verkauft habe und sich jetzt in Maria Linden aufhalte. Auch dessen Nachfolger Anton Müller wollte die Eremitage „nimmermehr verlassen“. Aber auch er hielt sein Versprechen nicht. 

Im Jahre 1761 sollte die St. Antonius-Wallfahrtskirche wieder aufgebaut werden, „als hierortige Nachbarschaft nicht allein nur zu diesem Heyligen ein großes Vertrauen wegen des Viehes hegen, sondern auch wegen des vorgehabten Umbaues seither vieles kontribuiert (gespendet) haben. 

Offensichtlich war jetzt als Kirchenpatron der eingangs erwähnte Viehheilige Antonius in den Vordergrund getreten.

Das jährlich fallende Wallfahrtsopfer ergab wenigstens 8 Gulden. Die Kapelle besaß dazu noch als Eigentum ein „geringes Güthel“, welches zu 15 Gulden jährlich verlehnt werden konnte. Der Wert dieses Besitzes mit Pachtzins war zu 1800 Gulden angeschlagen. Die Kostenberechnung für den ganzen Neu- bzw. Umbau belief sich auf 1500 Gulden. Als man begann, den vorderen Giebel einzureißen, „zeigten sich hierin solche Spälte, daß das übrige wird ohne Gefahr kaum mehr abzubrechen seyn“. Mit den vorhandenen Mitteln konnte daher nur die Chorkapelle umgebaut werden. Das Langhaus blieb in seinen Ruinen. In der Chorkapelle hielt jeden Dienstag der Pfarrer von Durbach den Wallfahrtsgottesdienst bis etwa 1790. Der Zudrang der Wallfahrer war groß.

Am 24. Oktober 1768 bat Martin Armbruster, „Burgers kind von Appenweier“, um Übertragung der erledigten Eremitage . Armbruster war als Schneidergeselle in die Fremde gezogen und hatte sich dabei zu den Soldaten werben lassen, wo er 16 Jahre lang gedient hatte. Da er während seines Militärdienstes „Übertretungen“ begangen und Schuld auf sich geladen hatte, wollte er „aus wahrhafftem Gewissensantrieb“ die restlichen Jahre seines Lebens allein Gott dienen. Es blieb jedoch nur beim Vorsatz, bald teilte er mit, daß er das „Burs Kleid“ ergriffen hatte. 

Zur Zeit des sogenannten Josephinismus erhielt auch unsere Wallfahrtskapelle St.Anton vollends den Todesstoß. Kaiser Joseph II. erließ am 12. Juli 1783 eine Verordnung, wonach die Wallfahrtskapellen und Wallfahrtsorte, namentlich solche, die nicht Pfarrkirchen waren, für „überflüssig“ erklärt wurden, darum sollten sie beseitigt und die Bilder in die Pfarrei übertragen werden. Auf diese Weise sollten allein in der Ortenau und im Breisgau 121 Kirchen und Kapellen aufgehoben werden. Bis 1810 wurden in St. Anton auch nach der Aufhebung die zwei Erneschen Anniversar-Stiftungen (Jahrtage) gehalten, die alsdann (1810) in die Pfarrkirche transferiert wurden. 

Laut Beschreibung der Einkünfte durch Pfarrer Knab von 1776 erhielt er für eine Meß auf St.Antoni zu lesen ( wie auch für St.Florian und St.Georg) 30 Kreutzer. Für ein Amt in der St. Anton Kapelle beim Fest des hl. Antonius Eremitea 1 ß 30 x. (Für eine Prozession nach Nesselried 2 ß).

1784 wird von der Christoph Ganter Witwe ein kleines Häuschen auf dem St.Antoni Gut an Nicolaus Obert verkauft.

Am 25.09.1786 finden wir schließlich den Kaufvertrag zwischen dem Stabhalter Franz Giesler in den Stöcken und den Eheleuten Niclaus Obert mit seiner Frau Maria Eva Sigrist, über eine zweistöckige Behausung bei St.Antoni mit der Verpflichtung die Mesmerdienste und die Reinigung in der Kapelle zu leisten. 

1854 – wird Matheus Vögele Erbe seiner Mutter Franziska geb. Obert

1862 – ist Simon Vögele Erbe auf Ableben seines Vaters Franz Joseph Vögele

27.01.1880 – bittet Mathäus Vögele um gefällige Genehmigung zur Auslösung des in Erblehen inhabenden Antonigütchens

10.09.1884           – Versteigerung gegen Matthias Vögele

Steigerer, Engelbert Kern, Schmied in Durbach

21.07.1898           Kaufvertrag zwischen Engelbert Kern und Josef Zettler, Wundarzneidiener

16.08.1912           Kaufvertrag Erben Zettler an Franz Xaver Kiefer

20.12.1912           Kaufvertrag Fran X. Kiefer an Heinrich Kiefer Witwe u. Cyriak Kiefer 

30.03.1914           Kaufvertrag Xaver Kiefer an Norbert Streif, Oppenau

Was ist noch vorhanden ?

In der St. Anton-Kapelle standen bis zu deren Zerstörung mehrere Heiligenfiguren. 3 Figuren kamen um 1810 zunächst in die Pfarrkirche „St. Heinrich“ und dann in die 1810 im Ortsteil „Heimbach“ zu Ehren eines Bienenheiligen errichtete Kapelle, welche jedoch im Jahre 1942 dem Straßenbau zum Opfer fiel. Eine ca 75 cm hohe holzgeschnitzte Pietà ist noch im Besitze der Familie Schwab. In der St.Anton-Kapelle blieb nach der Zerstörung nur noch eine beschädigte Holzfigur des hl. Antonius Eremita. Deren Verbleib ist nicht mehr nachzuvollziehen.  Die Querwand zerfiel, an Stelle des Altars wurde eine Lourdesgrotte aufgebaut.

Die Tür zur Chorkapelle mit der Jahreszahl 1761 dient heute beim Anwesen Josef Werner in Ebersweier als Kellertür. Sie zeigt den Stil der damaligen Epoche und das Profil, wie wir es bei den übrigen Sandsteingewänden der Kapellenruine noch vorfinden. Ein Vergleich mit dem von Melchior von Wiedergrün kurz vor 1600 auf Schloss Staufenberg erbauten Türbogen zeigt eine große Ähnlichkeit. Da der Staufenberger auch Pfleger, bzw. Verwalter der St.Anton-Kapelle war, ist zu vermuten, dass dieses Kleinod ebenfalls von ihm stammt. (Jahreszahl 1761 ist nur aufgemalt!)

Das 1784 erworbene kleine Häuschen ist schon lange abgebrochen. Der Grundriss hiervon ist im alten Hardtwaldplan noch zu sehen.

Das alte Wohnhaus am St. Anton steht vermutlich auf den Fundamenten des ehemaligen Bruderhauses. Wenn wir den Keller dieses Gebäudes näher betrachten, finden sich vielfach Mauer- und Sandsteinreste, die auch aus den Ruinen der Kapelle selbst stammen dürften.

Gleich neben der Kapelle ist auch noch ein Brunnen, der wieder neu aufgemauert wurde. Er war vermutlich über Jahrhundert hinweg die einzige Wasserversorgung auf St.Anton. Erst nach Stillegung des Bergwerks wurde aus dem angrenzenden Erzstollen das Wasser für das Anwesen abgeleitet. 

1885 wurde der an der Südwestecke des Baues befindliche Grundstein erbrochen. Nach der Überlieferung sollen diesem Grundstein eine Urkunde, ein Fläschchen Wein und Münzen entnommen worden sein.

Zwischen 1988 und 1995 wurde die ehrwürdige Kapelle wieder aus ihrem Dornröschen-Schlaf geweckt und mit umfangreichen Sanierungsarbeiten der Wildwuchs vergangener Jahrzehnte beseitigt. Unter Anleitung des Denkmalamtes und mit der Kenntnis alter Handwerker wurden die dem Zerfall preisgegebenen Gemäuer frisch ausgefugt und wieder befestigt. Entfernt wurde ein altes unschönes Schleifdach über dem rundbogigen Chorraum.

Verwendete Literatur

 

1                     J.Bader, Badenia – das badische Land und Volk Bd. I, Heidelberg 1859, S.376f2                     GLAK 37/980

3                     L. Heizmann, Die Geschichte der Klöster in Offenburg o.J. 

4                     GLAK 37/2994

5                     GLAK 37/2995

6                     GLAK 37/2996

7                     W. Weis, Geschichte des Dekanates und der Dekane des Rural oder Landkapitels Offenburg 1895

8                     GLAK 229/6401 H.G. Huber, Nußbach im Renchtal. Die Geschichte eines tausendjährigen Dorfes, Oberkirch (1994). S.106

9                     G. Rommel. Die Freiherren von Ried in der Ortenau. In:. Die Ortenau 36/1956

10                   Pfarrarchiv Durbach: Beschreibung des Pfarrguts in Durbach durch Pfarrer
                       Laurentius Knab 1776

11                    Legende oder „Der christliche Sternhimmel von Alban Stolz, Herdersche Verlagshandlung Freiburg, Elfte Auflage 1902

 

12                    Leben der Heiligen Gottes, Verlagsanstalt Benziger & Co. AG, von P. Otto Bitschnau, O.S.B. 
                        Vierte Auflage Einsiedeln, Waldshut und Köln a.Rh.  1881

KIRCHENRUINE S. ANTON

-Abschrift aus Die Kunstdenkmäler des Kreises Offenburg von Max Wingenroth 1908 –

 

Erwähnungen: sant Anthonien brůderhuß im hard by Stouffemberg gelegen 1482; capelle und brůderhůß sant Anthonien des heiligen bichtigers gelegen in dem wald genant der Stauffenberger hart 1528; sant Anthengen capelle 1549.

            Die kleine Wallfahrtskapelle existiert heute nur noch in einer malerischen Ruine, die Mauern etwa noch in 2 – 3 m Höhe. In Fig. 187 ist der einfache Grundriß zu ersehen. Die im Chor eingezeichnete Querwand ist neueren Datums und wohl eingezogen, um wenigstens den Chorteil noch als kleine Kapelle benutzen zu können. Die rundbogigen Fenster sind hohlgekehlt und zeigen den Falz zum Einsetzen der Glasscheiben. An der Südwand kurz vor der Südwestecke des Baues der facettierte Konsolenstein (s. Fir. 187 oben), der die Außenkanzel trug. Das Gewände der zu ihr führenden rundbogigen Tür ist zum Teil zerstört. Das Material des Baues ist Granit, untermischt mit Sandstein und Backsteinen; die Mauern natürlichBruchsteinwerk, nur die Gewände aus Hausteinen. Steinmetzzeichen infolge Verwitterung keine zu bemerken. So wie der Bau heute dasteht, dürfte er erst dem 16. Jh. entstammen, und sind Reste aus der Zeit der ersten Erwähnung nicht mehr erhalten. Auch das genannte Bruderhaus ist gänzlich verschwunden.

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