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Hochzeitsbräuche gestern und heute

Josef Werner, Ratsschreiber

Sitten und Gebräuche haben sich im Laufe der Jahrhundert für viele Bereiche unseres Lebens erheblich verändert. Auch im Durbachtal waren noch Anfang bis Mitte dieses Jahrhunderts für den Ort bezeichnende und eigentümliche Hochzeitsbräuche üblich. 

Dabei gab es beim Hochzeitsbrauchtum sogar teilweise erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen “Stabsgemeinden“ Heimburg und insbesondere Gebirg. Bis Mitte der 1950er Jahre war es üblich, dass das Hochzeitspaar oder 2 beauftragte „Hochzeitslader“ schon Wochen vor der Hochzeit einluden. Eingeladen wurden Freunde, Verwandt und Bekannte, wie dies auch heute noch üblich ist. Das Hochzeitspaar bzw. die Hochzeitslader hatten bei diesen zeitraubenden Einladungsgängen im weitverzweigten Durbachtal immer einen Schirm bei sich, wenn auch die Sonne noch so hell und heiß vom Himmel schien. Natürlich war diese Hochzeitsladerei sehr anstrengend, musste doch das Brautpaar oder die Hochzeitslader fast in jedem Haus einen Trunk oder sogar ein Vesper anstandshalber zu sich nehmen. So kam es auch, dass an einem Abend nur wenige Einladungen an den Mann gebracht wurden.

Hochzeitspaar Glanzmann 1934

Der Auftakt zum eigentlichen Hochzeitsfest war früher wie auch heute der „Tschäpplhirschen“ oder Polterabend, der bis vor wenigen Jahren allerdings nur im engsten Freundeskreis oder mit den Nachbarn gefeiert wurde. Im Unterschied zum heutigen Brauch wurde diese Feier jedoch in den Häusern von Braut und Bräutigam zumeist getrennt gefeiert. Während es früher üblich war, den Tschäpplhirschen am Vorabend des Hochzeitstages mit den Freunden zu feiern, sind die heutigen Polterabende oft umfangreicher als das eigentliche Hochzeitsfest. Mangels üblichen  Poltergeschirrs ist in den vergangenen Jahren auch immer mehr aller Unrat, Papierschnipsel, Styroporkugeln und sonstige Abfallprodukte der heutigen Wegwerfgesellschaft in Mode gekommen. Das Brautpaar muss oft nach mehreren Tagen die Reste dieser Wohlstandsorgie zusammenkehren.

Eine alte Sitte ist auch das „Böllerschießen“ vor der Hochzeit. Freunde oder Nachbarn haben daran auch jetzt noch ihren Spaß, zumal sie nach dem Schießen reichlich bewirtet werden. Wie auch heute noch üblich, verkündete das Böllerschießen bereits am Abend vor der Hochzeit das bevorstehende Fest. Während man heute zumeist mit Gaskanonen oder manchmal auch mit Gasballons ein wahres Schnellfeuer zelebriert, war bis vor wenigen Jahrzehnten der eigentliche „Böller“ noch an der Tagesordnung. 

 

Es handelte sich dabei um einen schweren, massiven Eisenstock (Klotz), welcher je nach Größe mit Schwarzpulver gefüllt wurde. Zur Abdichtung verwendete man Zeitungspapier und Ziegelmehl. Mit einer Zündschnur wurde der Böller dann gezündet. Dass diese Art des Böllerschießens nicht gerade ungefährlich war, lässt sich denken. Nicht weniger gefährlich, aber auch spannend war das zeitweise übliche Schießen mit Karbid.

Geschäftsleute oder Söhne und Töchter größerer Bauernhöfe luden zu „öffentlichen Hochzeiten“ ein. Dabei hielt es jeder Bekannte im Ort für seine Pflicht, an der Hochzeitsfeier in der Kirche und auch nachher im Wirtshaus teilzunehmen, dem Brautpaar zu gratulieren und womöglich ein kleines Hochzeitsgeschenk mitzubringen. Dass bei solchen großen Hochzeiten immer die Blasmusik das Brautpaar am Rathaus abholte, in einem langen Hochzeitszug zur Kirche und anschließend ins Gasthaus begleitete, dürfte allen älteren Durbachern noch in guter Erinnerung sein.

Söhne oder Töchter vorn größeren Bauernhöfen heirateten standesgemäß in der einheimischen, Frauen vielfach in der angestammten Tracht.

In Vergessenheit geraten ist heute die vor Jahrzehnten noch übliche „Morgensuppe“. Bevor die Angehörigen der Brautleute sich zu Fuß oder mit dem Pferdegespann auf den oft mehrere Kilometer weiten Weg zum Standesamt und zur Kirche machten, erhielten sie eine stärkende Suppe (Milchbrotsuppe), welche schließlich bis zum Hochzeitsmahl reichen musste. 

Ein Hochzeitsstrauß oder Brautbukett,  wie es heute üblich ist, gab es früher nicht. Vielmehr trugen Braut und Bräutigam einen Rosmarin-Zweig. Auch die übrigen geladenen Hochzeitsgäste erhielten in der Wirtschaft von den Brautjungfern, Schwestern oder Freundinnen des Braupaares  einen Rosmarin-Zweig angeheftet, der dann mit einem kleinen Obolus (kleiner Geldbetrag) honoriert wurde. Rosmarin wurde zu diesem Zweck und selbstverständlich auch als bevorzugtes Gewürz in vielen Gärten gezogen.

Die Brautjungfern wurden auch als „Gespielinnen“ bezeichnet, wobei je eine Gespielin von Seiten des Bräutigams und der Braut gestellt wurde. Für die noch ledigen Burschen beim Hochzeitsfest war es eine große Ehre mit einer dieser Gespielinnen zu tanzen.

Wie auch heute noch (teilweise) üblich, erhielt das Brautpaar vom Wirt zur Begrüßung und Gratulation vor der Wirtschaft ein Glas Rotwein als Ehrentrunk kredenzt.

Nach den Braut- und Ehrentänzen begann dann wie heute der Hochzeitsschmaus mit Tanz und Unterhaltung bis in den späten Abend.

Wie auch in anderen Gemeinden der Umgebung, so wurde auch in Durbach der „Schuhwein“ eingeholt. In einem unbemerkten Augenblick zog ein junger Bursche flink den rechten Schuh der Braut aus. Nach schöner Verzierung des Schuhs konnte dieser dann wieder vom Bräutigam mit einigen Litern Wein eingelöst werden. Heute wird anstelle des Schuhweins zumeist eine Versteigerung des Brautschuhes unter den Hochzeitsgästen vorgenommen, wobei der Erlös dem Brautpaar als Grund-Finanzausstattung überlassen wird. Der Bräutigam muss jedoch aufpassen, dass er wenn möglich als letzter bei der Steigerung bietet, da ihm ansonsten der Schuh nicht ausgehändigt wird.

Auch die „Entführung der Braut“ ist heute teilweise in Brauch. Zumeist Freunde des Bräutigams greifen sich in einem vom Bräutigam unbemerkten Augenblick die Braut und „entführen“ sie in ein fremdes Gasthaus. Dem Bräutigam obliegt es, seine Braut aufzufinden und die von den „Entführern“ in der Zwischenzeit gemachte Zeche zu bezahlen. 

Wenn dann Gäste und Brautpaar so richtig müde zu Bett gehen wollen, dann erwartet das Brautpaar oft noch eine zumindest anstrengende Überraschung. Dass Braut und Bräutigam keine Nachthemden mehr vorfinden mag ja noch im Rahmen der Hochzeitsnacht zu verschmerzen sein; oft werden jedoch die Betten abmontiert und das lang ersehnte Schlafgemach völlig auf den Kopf gestellt. Da bleibt dann meist nicht mehr viel vom Vorsatz des Bräutigams übrig, seine heißgeliebte Braut auf Händen über die Türschwelle zu tragen. 

Im Ortsteil Gebirg ist der Brauch erhalten, dass alle Ledigen aus diesem Teil des Tales, jedoch nur diejenigen, die bereits aus der Schule sind, gemeinsam einen Kranz um die Eingangstür des Brautpaares flechten. Die ganzen Junggesellen und Mädchen sind dann nach der Hochzeit zu einem feuchtfröhlichen Abend eingeladen. In den anderen Ortsteilen wird dieser schöne Brauch des Türkranzes noch teilweise von der Nachbarschaft wahrgenommen.

Heute ist auch Hochzeitsbrauchtum kaum mehr nur auf einen Ort oder eine Landschaft beschränkt. Was interessant ist wird kopiert, exportiert oder importiert.

So bleibt es unsere Aufgabe, gutes Brauchtum zu erhalten und vielleicht schönes Brauchtum zu übernehmen.

Aus Durbacher Heimatteil 08.05.1987

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