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Durbach vor Kriegshandlungen gerettet

Die bangen Tage und Stunden vor dem Anmarsch der französischen Truppen im April 1945 sind nur noch wenigen Durbacher oder Ebersweirer Bürgern im Gedächtnis. 
Während Ebersweier im 27. November 1944 mit einem Bombenhagel und 12 Toten die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges hautnah miterleben musste, blieb der Weinort Durbach, von einigen Flurschäden abgesehen, vor größeren Kriegshandlungen und -Zerstörungen verschont. *1)

Wegen fehlendem Personal kam am 28.Februar 1940 der frühere Stadtrechner Josef Singler von Hausach nach Durbach um die Kassengeschäfte der Gemeinde zu führen. Singler war zu diesem Zeitpunkt bereits 64 Jahre alt (*18.11.1875 in Wolfach), und suchte mit dieser Tätigkeit seine spärliche Pension und das Familieneinkommen etwas zu verbessern. Von 1933 bis 1936 war er Stadtrechner in Hausach, wurde jedoch nach längerer Krankheit entlassen. Weil Singler „nicht hundertprozentig Hitler“ war, zog man es in Hausach vor, ein Parteimitglied mit dem goldenen Ehrenzeichen einzustellen.  Seinen Wohnsitz hatte Singler zunächst in Maisach bei Oppenau von wo er am 1.4.1943 nach Durbach zog. 
Am 16. April 1945 kamen die französischen Truppen, von Appenweier über „die Au“ kommend, ins Durbachtal, bzw. nach Ebersweier. Während sich der damalige Bürgermeister Josef Huber und andere Parteigrößen zurückhielten, bzw. vielmehr die letzten Reserven zur Verteidigung des Tales mobilisierten, eilte Josef Singler, mit einer weißen Fahne schwingend, am 17. April 1945 nach Ebersweier. Es ist heute nicht mehr nachzuvollziehen ob Singler für diese Aktion Unterstützer hatte; es war wohl sein Pflichtgefühl für die Gemeinde und sein Wunsch zum Ende von Kampfhandlungen, was ihn zu diesem Vorgehen veranlasste. Mit dem Kommandanten in Ebersweier nahm er Verhandlungen zur friedlichen Übergabe von Durbach auf. 
Kaum nach Durbach zurückgekehrt, wurde Singler von dem noch an der Brandeck stationierten deutschen SS-Kommando zum Tode verurteilt. Durch das überraschende Eintreffen der alliierten Truppen wurde er im letzten Augenblick vor der Erschiessung bewahrt. 
Die ersten französischen Besatzungstruppen erreichten die Gemeinde am 20.05.1945. Sie gehörten der Einheit 114. G.A.F.T.A. Bie d‘ E.M.     an.

Bürgermeister Josef Huber wurde von der französischen Besatzungsmacht des Dienstes enthoben.

Ab dem 26. April 1945 findet sich in den Akten des Gemeindearchivs Fr. Friedlin als Kommissarischer Bürgermeister. Über die Ernennung von Friedlin, seine Herkunft usw. geben die Akten leider keine Auskunft. Jedenfalls war dessen Aufgabe während den ersten Wochen recht schwierig. Ihm oblag es, die Befehle der Besatzungsmacht an die Bevölkerung zu übermitteln, und gleichzeitig die Belange der Einwohner zu vertreten. Tabellarisch sollen hier einige Beispiele angeführt werden:
26. April 1945    –  Der Kommissarische Bürgermeister Fr. Friedlin bittet das Arbeitsamt um einen Bäckergehilfen für die Bäckerei Müller, weil der bisherige Gehilfe in seine Heimat Elsaß zurückgekehrt ist. Die Bäckerei Müller war zu diesem Zeitpunkt die einzige Bäckerei, die im Betrieb war. Aus Mangel an Arbeitskräften konnte diesem Ersuchen nicht entsprochen werden.
30.4.1945 –    Aktenvermerk über diverse Plünderungen 
3.Mai 1945    Friedlin veranlasst, dass Anton Noll seine Bäckerei wieder in Betrieb nimmt. Er stellt hierfür 35 Zentner Briketts zur Verfügung.
11. Mai 1945     Friedlin berichtet dem Ortskommandanten über eine Reihe von Plünderungen durch die Besatzungstruppen und auch durch ehem. Gefangene  
12. Mai 1945 Die Bäcker-Innung Offenburg teilt mit, dass es augenblicklich unmöglich ist, Mehl zu liefern. Das Bürgermeisteramt wird um Veranlassung gebeten, dass von der derzeit geschlossenen Bäckerei Müller Mehl an die Bäckerei Noll abgegeben wird.
18.Mai 1945 – Das Gefangenenlager für die französischen Kriegsgefangenen im Scharf-Eck wurde geräumt.
18. Mai 1945    Unter Führung des Komm. Bürgermeisters Fr. Friedlin wurden die am 11. April 1933 zur Ehren von Generalfeldmarschall von Hindenburg und des Führers der verbrecherischen Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei gepflanzten Linden vor dem Rathaus in Durbach auf Wunsch der antifaschistischen Einwohner von Durbach entfernt. 
22. Mai 1945
Befehl des L. Capitän Duboet (Le COMMANDANT D‘ UNITE BATTERIE D‘ ETAT – MAJOR
Liste aller Männer von 16 – 50 Jahren musste angelegt werden
Zigarrenfabrik hat sofort 2000 Zigarren abzuliefern
In die Offiziersküche sind jeden zweiten Tag ein dutzend Eier, ein kg. Butter, frisches Gemüse für ca. 15 Personen, Mittwoch und Samstag zwei Hühner oder zwei Hasen abzuliefern

Auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger wurde nun Josef Singler von der französischen Militärregierung mit Wirkung zum 1.6.1945 zum Bürgermeister ernannt.
Im November 1945 gratulierte die Gemeindeverwaltung/Gemeinderat dem Bürgermeister zu seinem 70sten Geburtstag im Offenburger Tageblatt. 
Berichtschreiber war dem Kürzel nach der damalige Stellv. Bürgermeister, Kaufmann Ludwig Geiler. 
Lg. Durbach. Unser Bürgermeister Josef S i n g l e r  hat am Sonntag seinen 70. Geburtstag gefeiert. Singler war es, der beim Anmarsch der französischen Truppen nach Ebersweier eilte, um beim Kommandanten der anrückenden Truppen die Schonung unserer Gemeinde zu erreichen, was ihm auch gelang. Bei seiner Rückkehr wurde er von SS-Truppen zum Tode verurteilt und fortgeschleppt. Der rasche Anmarsch der französischen Truppen brachte die glücklichen Umstände mit sich, die ihn der Ausführung des Todesurteils entgehen ließen. Die Gemeinde dankt dem Jubilar sein erfolgreiches Handeln in kritischer Stunde. 
Anfang November 1945 berichtete Singler:
„Die Gemeinde steht in der Ernährungslage gegenüber dem Stand der Vorkriegszeit sehr ungünstig. Ursache ist der Fehlanbau von Getreide während des Krieges, ferner die Zuwanderung der Bevölkerung aus der Stadt.
Die Beschwerden der Bevölkerung gehen erstens auf die Brotversorgung. Die Einwohner sind gezwungen, das Brot in andern Orten einzukaufen, weil die Mehlzuteilung an die Bäcker der Gemeinde nicht ausreicht. 
Durbach das Fehlen an Düngemittel ist der allgemeine Ertrag auf die Hälfte des üblichen Standes zurückgegangen.“
Singler bittet zur Klärung der schwierigen Ernährungslage des Ortes eine Bürgerversammlung einzuberufen. 

9.11.1945    Der Platzkommandant verfügt: Sämtliche Tauben, beringt oder nicht, müssen in ihren Taubenschlägen eingesperrt bleiben. Alle Tauben müssen angemeldet werden. Wer sich der Nichtanmeldung schuldig macht, wird dem Militärgericht überführt.
13.11.1945
Kapitän Lampert – Platzkommandant –   alle Gefangenen haben sich im Bahnhof Offenburg zu melden zwecks Klärung ihrer Situation
16.11.1945 – Singler meldet dem Platzkommandanten die Requirierung eines ca. 250 Pfund schweren Schweines bei Anton Werner, Nachtweide
22.11.1945 – Der Platzkommandant verfügt, dass alle Wirtschaften um 20 Uhr schließen müssen. Im Falle des Nichteinhaltens werden die Lokale ohne weitere Verfügung geschlossen.
26.11.1945    Befehl des Platzkommandanten: Alle Waffen und Munition müssen bis spätestens 10.12.1945 im “Ritter“ abgeliefert werden. Jedes Auffinden von 
Wehrmachtsgegenständen nach diesem Termin wird schwerste Bestrafungen des Bürgermeisters, bzw. der ganzen Gemeinde nach sich ziehen. 
10.12.1945  Singler meldet: 3 Gewehre ( Karabiner 98 k) und 46 Schuss Gewehrmunition
Im Dezember 1945 musste sich Singler einer Überprüfung bezüglich nationalsozialistischer Vergangenheit unterziehen.  Auf die Frage ob er jemals Mitglied der NSDAP gewesen sei antwortete er mit „Ja im Monat Mai 1933“.  „Ich wurde gezwungen in die Partei zu gehen mit dem Hinweis, dass sonst mein Schwiegersohn, der Unterlehrer war, vom Dienst entlassen wird.“
3.1.1946     Meldung an den neuen Kommandanten:
In der Zeit vom 20.5.1945 – 18.7.1945 waren hier ca. 120 Mann einquartiert. Diese gehörten der Einheit 114. B.A.F.I.A. an.
Die Unterbringung erfolgte hauptsächlich in der Schule und den Gasthäusern.
Die Offiziersküche befindet sich auf Schloss Staufenberg.
Die Unteroffiziersküche mit Speisesaal im „Ritter“, ebenso eine Mannschaftsküche, ein Soldatenheim, eine Schreibstube und ein Dolmetscher-Büro. Im „Bären“ befandet sich die Wachstube, im Gendarmeriegebäude (heute Pfarrz.) die Kommandantur, in der „Linde“ eine Auto-Reparaturwerkstatt und der Parkplatz

In der Zeit vom 15.7.1945 – 20.10.1945 waren von der Einheit 151 Ecole de Cadres ca. 200 Mann einquartiert. 
9.1.1946 – Statistische Angaben an den Platzkommandanten
    Bevölkerungszahl            2043
    Zahl der eingezogenen Männer        399
    Zahl der Gefallenen            72
    Zahl der Vermissten und noch
    in Gefangenschaft befindlichen        130

20.02.1946 – Der Platzkommandant verfügt die Sperrstunde von abends 20 Uhr bis morgens 06:00 Uhr. Anlass hierzu war ein Vorfall, bei dem Zivilisten am 19.2.1946 auf französische Soldaten geschossen haben. 
Der Durbacher Gemeinderat wurde im Februar 1946 zu einer Stellungnahme wegen der Vergangenheit von Singler und einer evtl. Beibehaltung als Bürgermeister von Durbach gebeten. Singler hatte sein Amt als Gemeinderechner und dann als Bürgermeister wohl zur vollen Zufriedenheit des Gemeinderats ausgeübt. Man war deshalb bemüht, die Besatzungsmacht von seiner Unschuld zu überzeugen.
Wortlaut der Stellungnahme des Gemeinderates:
„BM Singler ist nicht als aktives Parteimitglied anzusehen, sondern lediglich als zahlendes Mitglied. BM Singler hatte keine Funktion der Partei inne und kann nicht als belastend betrachtet werden. 
Singler hat am 17.4.1945 beim Herannahen der Besatzungstruppe auf eigene Initiative die Übergabeverhandlung bei dem Herrn Kommandanten in Ebersweier in die Wege geleitet und den Ort Durbach vor der Vernichtung bewahrt. Daraufhin wurde Singler von dem noch in Durbach-Brandeck stationierten deutschen SS-Kommando zum Tode verurteilt und nur durch überraschendes Eintreffen der alliierten Truppen vor der Erschiessung bewahrt. 
Durch diese Tat hat Singler seine menschliche Haltung aller gegenüber bewiesen. Er hat die Truppe vor unnötigen Opfern verschont und die Gemeinde Durbach der wiederauflebenden Wirtschaft erhalten. 
    Das sind die Voraussetzungen und Gründe, weshalb Singler von dem Herrn Chef der Militärregierung persönlich als hauptamtierender Bürgermeister der Gemeinde Durbach eingesetzt wurde. Es ist überall, insbesondere auf dem Landratsamt bekannt, dass Singler das Ressort der Verwaltung und der Finanzen auf Grund langjähriger Praxis, hervorragend beherrscht und zu führen in der Lage ist.
Im Namen der Gemeinde Durbach, bittet das Ratsherrenkollegium um Beibehaltung des Herrn Singler als Bürgermeister von Durbach bis zu den allgemeinen Gemeindewahlen.
Die Gemeinderäte: Joseph Schrepfer, Franz Ziegler, Franz Müller, Andreas Glanzmann, Josef Lang, Franz Geiler, Ratschreiber Müller
Die französische Besatzungsmacht konnte durch diese Erklärungen nicht überzeugt werden und enthob Josef Singler Ende Februar 1946 vom Amt des Bürgermeisters. 
Als neuer Bürgermeister wurde laut Beschluss des Gemeinderates vom 27. Februar 1946 mit Wirkung vom 1.3.1946 der bisherige Stellv. Bürgermeister Franz Xaver Müller vom Sendelbach ernannt. Bei der allgemeinen Bürgermeisterwahl im Dezember 1948 wurde schließlich Andreas Glanzmann, Stöcken von den Bürgern gewählt. 
Josef Singler zog im Juli 1947 wieder zu seiner Familie nach Oppenau-Maisach zurück. Er starb am 22. Februar 1959 in Maisach bei Oppenau.
März 2017
Josef Werner
*1) Bombenhagel auf Ebersweier, – Josef Werner
Weitere Unterlagen: Gemeindearchiv Durbach   IX.29 und IX.33

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