Das Galgenfeld
Noch zu Ausgang des 18. Jahrhunderts stand im Vollmersbach im Gewann „Wasserschöpf“ ein „dreibännig“ gehauener Grenzstein mit der Jahreszahl 1539, bei welchem nach dem Lagerbuch von 1608 drei Gerichte zusammen stießen, nämlich Ortenberger, Griesheimer und Staufenberger Gericht.*2) Ein weiterer „zweibänniger“ Grenzstein mit ursprünglichem Standort am Hohlweg in der „Redergass“ (Böschung des nach Wiedergrün und Nesselried führenden Weges), ist derzeit in der Sonderausstellung „800 Jahre Ebersweier“ im Wein- und Heimatmuseum zu sehen. Auch dieser Markstein dürfte wohl aus dem Jahr 1539 stammen und markierte einst die Grenzen zwischen dem Gericht Staufenberg und dem Gericht Griesheim. Soweit sich die Herrschaft Staufenberg erstreckte, urteilten die Zwölfer dieses Gerichts. Noch bis zum Jahre 1511 dauerte das Gericht unter der Schloßlinde zu Staufenberg, wo der Schultheis und die Zwölfer *3) nach freiem kaiserlichem Recht urteilten über Mein und Dein, über Hals, Haar und Hand, ohne dass die Gemeiner*4) von Staufenberg das Gericht verbieten konnten. Ab 1511 wurde das Gericht auf Anordnung des Markgrafen in dem gleich neben der Linde am Burgaufgang errichteten Gerichtshaus abgehalten. Wie sich diese Gerichtsverhandlungen abspielten zeigt das Protokoll vom 16. April 1477. Die Staufenberger Ritter (Ganerben) führten bei diesen Verhandlungen den Vorsitz. Die vom Gericht verhängten Gefälle (Strafen) standen den vollberechtigen Ganerben zu. Schwere Taten wurden mit Kerker bestraft. Der Kerker befand sich gleich neben der Gerichtslinde in dem nach Norden gerichteten Eckturm. Ein Zugang zu diesem „Kerker“ ist heute nur noch über zwei kleine, in einiger Höhe über der steil abfallenden Böschung liegende Fensteröffnungen möglich. Dahinter verbirgt sich ein fast 3 Stockwerke hoher Raum, dessen Zugang ursprünglich wohl über ein an der Böschungsoberkante hinausführende Tür und von da in den angrenzenden Kellerraum möglich war. Eine heute ebenfalls nicht mehr zugängige Wachtstube vervollständigte das Gefängnis. Im Renchener Vertrag von 1525, durch welchen im Badischen Land unter Markgraf Christoph I. der Bauernkrieg beendet wurde, ist neben dem Siegel von Wilhelm Hummel von Staufenberg auch das Siegel des Schultheißen des Gerichts der Herrschaft Staufenberg zu finden.
Nach dem Tod des letzten Staufenbergers im Jahre 1604, Philipp Wiedergrün von Staufenberg, wird erstmals das „Amt Stauffenberg“ erwähnt. Ab dieser Zeit lag das Gericht wohl in Händen des jeweiligen Amtmanns, bis wieder Heinrich Carl von Orscelar, danach sein Sohn Wilhelm Hermann von Orscelar und von 1683 bis zum April 1700 Freiherr Christoph von Greiffen mit der Herrschaft Staufenberg belehnt wurden. Im Jahre 1693 beantragte Amtmann Johann Carl Grünlinger die nötige Aufrichtung eines „Hochgerichts“ für die Herrschaft Staufenberg. Die Unkosten dafür bestanden in 6 Ohm Wein und für jeden Handwerker zwei kleine Laib Brot. *5) In der wohl ältesten Karte der „Herrschaft Staufenberg“ aus dem Jahre 1785, ist dieses Hochgericht – der Galgen – zwischen den Zinken Hatsbach und unterhalb Prendel (Brendel) sowie der damaligen „Weid“ (Allmend) eingezeichnet. *6)
Drei hohe Steinsäulen mit darüber liegenden Holz-Balken dienten von nun an zur Hinrichtung der zum Tode Verurteilten in der Herrschaft Staufenberg. Zahlreiche Gerichtsprotokolle im Generallandesarchiv geben vermutlich Auskunft über die armen Sünder, die hier den letzten Atemzug aushauchten. Mit Kaufvertrag vom 28. September 1800 ersteigerte der Seifensieder Christian Klier (Glier) vom Hilsbach den Acker am Galgenfeld, der zu dieser Zeit mit „einem starken Haufen“*7) Reben besetzt war. Versteigerer war Johannes Holzer vom Hilsbach, welcher das Grundstück wohl von der „gnädigsten Herrschaft“, d.h. dem Markgrafen erstanden hatte.
Schon mit Vertrag vom 14.8.1797 hatte Christian Klier das alte Bergwerkshaus im Zinken Hilsbach von der „gnädigsten Herrschaft“ erworben. Auf dem Acker am Galgenfeld stand zu dieser Zeit wohl noch der Galgen, der wegen Auflösung des Gerichts Staufenberg keine Verwendung mehr fand. *8) So kamen die großen Sandsteinsäulen schließlich als Kellerstützen in das alte Bergwerkshaus im Hilsbach wo sie bis zum Umbau des Anwesens in den 1990er Jahren ihren Dienst taten. Eltern von Christian Glier waren der lutheranische Eisengießer Friedrich Glier und Caharina Neustöckle. Sie waren in den letzten Jahren des Durbacher Bergbaues (bis 1791) vermutlich aus dem Thüringischen hierher gezogen um in der Grube um St. Anton zu Arbeiten. Im Wein- und Heimatmuseum ist im EG ein Bild zu finden, auf dem Christian Glier noch in der Bergmannstracht zu sehen ist.
Mit dem Untergang der bisherigen Gewannbezeichnung „Galgenfeld“ bleiben die Steinsäulen des Galgens wohl die letzten „Zeitzeugen“ des Gerichts in der ehemaligen Herrschaft Staufenberg.
Im November 2016
Josef Werner, Ratsschreiber i.R.
*1) Dr. Eugen Weiß in „Der badische Rebort Durbach in seiner wirtschaftlichen Entwicklung“ S.16
*2) siehe auch Karte in „Ebersweier und seine Geschichte“ S.122
*3) Zwölfer waren vom Volk bestimmte Gerichtspersonen, vergleichbar mit heutigen „Geschworenen“. Es waren i.d.R. zwölf Personen benannt, welche ursprünglich unter dem Vorsitz des ältesten Staufenbergers und später unter Vorsitz des jeweiligen Amtmanns der Herrschaft Staufenberg „Recht sprachen“.
*4) Lehensnehmer der Markgrafen von Baden –
*5) Gustav Rommel in : Die Freiherren von Ried in der Ortenau S.216
*6) in einer weiteren, jedoch undatierten Karte aus dem Zeitraum evtl. um 1770-1780 des Amts Staufenberg ist das „Hochgericht“ ebenfalls eingezeichnet.
*7) 1 Haufen Reben = ca 300 Stöcke
*8) Grundbuch Durbach-Heimburg Band I
Weitere Fundstellen: Register der Pfarrei St. Heinrich, Durbach