Der Klingelberger von Frankfurt Bergen-Enkheim
1000 Jahre Weinbau prägten einst den berühmten Weinberg zu „Bergen“. Erstmals erfahren wir aus einer Urkunde Kaiser Heinrich IV. aus dem Jahre 1057 von zwei Weinbergen im Dorf Bergen. Von da an gibt es über viele Jahrhunderte Nachrichten über Weinberge in Bergen und Enkheim. Den größten Besitz hatten die Klöster Haina in Nordhessen und Amsburg bei Lich. Kloster Haina besaß einen großen Hof zwischen der heutigen Marktstraße und der Straße im Sperber. Der heute noch existierende Mönchshof in Enkheim war der Wirtschaftshof des Klosters Amsburg.
Der Wein, der nachweislich seit dem hohen Mittelalter und möglicherweise seit noch früherer Zeit am Berger Hang angebaut wurde, muss hervorragend gewesen sein, denn viele, die Geld, Rang und Namen hatten, erwarben Weinberge am Berger Hang. Aber auch Adelsfamilien bemühten sich um Weinberge am Berger Hang. Im Spätmittelalter waren es etwa 25 adlige Herren, die durch Kauf, Tausch oder bei Erbauseinandersetzungen Wingerte in der Berger Gemarkung erwarben. Die Landesherrschaft besaß das Vorkaufsrecht für den Berger Wein. Im gräflichen Königshof wurde der Landesherrschaft „Atz und Lager“ gewährt, wobei der Wein aus den herrschaftlichen Zehnttrauben ein begehrtes Getränk war.
Die Qualität des Berger Riesling war auch dem Markgrafen Carl Friedrich von Baden und seiner Gemahlin, Caroline Luise Prinzessin von Hessen-Darmstadt immer wieder zu Ohren gekommen. Nach dem Tod des Baden-Badischen Markgrafen August Georg kam die „Herrschaft Staufenberg“ im Jahre 1771 in den Besitz des Baden-Durlachischen Markgrafen Carl Friedrich. Wohl unter dem Einfluss der Markgräfin, und dem auf dem Hespengrundhof in Durbach beheimateten Feldmarschall Joseph Freiherr von Ried, orderte Carl Friedrich 2.000 Stück zweijährige „Rißling-Würzlinge“ aus dem berühmten Weinberg zu B e r g e n und 1.500 Stück einjährige aus der Nähe von Frankfurt zu den damals hohen Preisen von 16 fl. (Gulden) und 9 ½ fl.. Nachdem man die alten und minderwertigeren Sorten vollständig ausgehauen hatte, wurden diese „reinrassigen“ Riesling-Setzlinge 1782 im herrschaftlichen Weinberg „Klingelberg“, im „Starzengrund“ und „Bienengraben“ gepflanzt. Sie gediehen hier so vortrefflich, dass schon nach einigen Jahren Setzlinge abgegeben werden konnten.
Den „logistischen Aufwand“ für die Beschaffung und den Transport der Rebsetzlinge von Bergen in die Herrschaft Staufenberg kann man vielleicht nachvollziehen, wenn man bedenkt, dass zum damaligen Zeitpunkt ein Transport nur mit einem Pferde- oder Ochsengespann möglich war. Straßen waren kaum vorhanden und eine evtl. Kühlung der jungen Pflänzlein während des Transports war ebenfalls nur mit feuchten Tüchern zu erreichen. Die Tagesstrecke mag vielleicht 10 oder 12 km gewesen sein. Da kann man sich leicht ausrechnen, wie lange der Transport der wertvollen Setzlinge gedauert hat.
Die letzte Blütezeit des Weinbaus am Berger Hang war zwischen 1815 und 1850. In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts gab es dann in Bergen viele Missernten und besonders starken Schädlingsbefall. Außerdem war der Wein so sauer, dass er kaum verkauft werden konnte. Apfelwein und Bier hatten sich längst durchgesetzt. 1893 gab es in Bergen Enkheim noch 230 Winzer, die rund 30 Hektar Weinberge bearbeiteten. Das war nur noch ein Viertel der stolzen 120 Hektar von 1724 und 1838. Die Reblaus gab dem Weinbau am Berger Hang den Rest. Die letzte Weinlese fand im Jahr 1905 wie üblich als Volksfest statt. Die letzte Meldung über den Weinbau stammt aus dem Jahr 1921. Sie lautet: „Alle Weinbergsanlagen sind durch Wiesen- und Obstbaumanlagen oder andere Kulturen ersetzt. In Bergen und Enkheim sind sie zum Teil noch Ödland. Dies war die offizielle Toterklärung der über tausend Jahre alten Weinkultur in Bergen-Enkheim.
Am 31. Mai 2014 wurden vom Wein- und Heimatmuseum Durbach, im Beisein mit S.K.H. Erbprinz Bernhard von Baden und der damaligen Durbacher Weinprinzessin Larissa Zentner, auf dem Gelände des MainAppelHauses auf dem Lohrberg 30 Riesling-Setzlinge aus dem Durbacher Klingelberg angepflanzt. Im Herbst 2016 erfolgte die erste Ernte, die 35 Liter Rebensaft ergab. Zwei „Probefläschchen“ dieses wiedererstandenen „Ur-Klingelbergers“ hat der in der Staufenbergklinik tätige, aus Bergen-Enkheim stammende Arzt, Dr. Helling, nach Durbach überbracht. Die Weinprobe steht noch aus.
Im Heimatmuseum Bergen-Enkheim sind nur noch wenige „Relikte“ und Exponate aus der 1000jährigen Weinbaugeschichte zu finden. Im heutigen Stadtteil von Frankfurt dominieren Wohn- und Geschäftshäuser und ab und zu Obstwiesen für den beliebten „Äppelwoi“.
Josef Werner, Juni 2018
Unterlagen: „Spilhus“ Heft Nov.2017 – Werner Henschnke und Winfried Röhling
Die Freiherrn von Ried in der Ortenau – Gustav Rommel
Der badische Rebort Durbach in seiner wirtschaftlichen Entwicklung,
Dr.Eugen Weiß 1911