Verkehrswege durch das Durbachtal
„Die Gemarkung Durbach hat ungefähr elf Stunden im Umfange und ist sehr gebürgig. Sie enthält sieben Stäbe oder Heimburgerthümer.
Das Dorf Durbach nebst Stöcken, Hilsbach, Hespengrund, Heimbach, Stürzelbach, Ergersbach, Lautenbach, Sendelbach, Oberthal; –
Vollmersbach
Bottenau
Neßelried
Illenthal
Wiedergrün
Gebürg
Diese Heimburger Stäbe besitzen von altersher getrenntes Vermögen und eigene Heimburger Rechnungen mit Ausnahme von Wiedergrün. Durch den Heimburger Stab Durbach, nämlich durch Stöcken, Dorf Durbach und Oberthal, führt der Thalweg bis zum sogenannten Springbächle, wo der Heimburger Stab Durbach aufhört und wieder Gebürg anfängt. Dieser Weg zieht vom Springbächle durch das Gebürg, bis auf den Mooswald.“
Mit dieser Einleitung beginnt ein recht umfangreiches Schreiben der Großherzoglich hochlöblichen Regierung des Mittel-Rheinkreises vom 11. Mai 1841. Anlass war eine Beschwerde des damaligen Ritterbauern Johannes Heisch. Zusammen mit weiteren „Gebürgern“ fühlte er sich benachteiligt, weil von der „Samtgemeinde“ Durbach der Weg ins Gebürg nicht auf deren Kosten hergestellt wurde.
Bereits 1827 gab es in Bottenau Streit wegen der Herstellung des Talweges. Dort heißt es in einem Bericht des Vogts Danner: „Der Weeg in das Thal Bottenau nimmt seinen Anfang bey der sogenannten Fernacher Brücke unter Oberkirch und wurde immer gemeinschaftlich von der Gemeinde Maisenbühl, Dieberspach, Schlatten und Bottenau unterhalten.“ Der Weg bis zur Fernacher Brücke war deshalb im „Frohndwesen“ herzustellen. Gemeinds-Verrechner Josef Huber vom Maisenbühl war für die Organisation der „Fröhner“ verantwortlich. Er verweigerte jedoch die Mithilfe der Maisenbühler und schickte die übrigen versammelten Fröhner nach Hause. Durch diese Verweigerung blieb der Weg nach Oberkirch in einem sehr schlechten Zustand. Vogt Danner (Ritterwirt) brachte diesen Missstand und die „Wiedersetzlichkeit“ der Maisenbühler in einem geharnischten Brief bei dem Großherzoglichen Oberamt in Offenburg zur Kenntnis. Sowohl Gerichts-Mann Kiefer, Bürgermeister Johann Kiefer und der Bürger Lorenz Kiefer von Bottenau schlossen sich dieser Beschwerde des Vogts Danners an. Rechner Huber von Maisenbühl habe seinen Leuthen befohlen sie sollen nach Hause gehen und nicht fröhnen.
Auch im Jahre 1873, also vor 140 Jahren, lag das weit verzweigte Durbachtal noch entfernt von jeder größeren Straße. Die Verkehrsverbindungen waren denkbar schlecht und die Bevölkerung ernährte sich fast ausschließlich von Weinbau und Landwirtschaft. Dabei war die Stabsgemeinde Durbach im Amtsbezirk Offenburg mit rund 2.300 Einwohnern wohl eine der Bevölkerungsreichsten Gemeinden.
In der Medicinischen Statistik des Amtsbezirks Offenburg für das Jahr 1866 ist festgehalten:
Geburten:
Durbach Ehelich: 81 unehelich: 20 zusammen 101
Ebersweier Ehelich: 17 unehelich: 2 zusammen 19
Vergleich: Offenburg
Kath. Ehel.: 118 unehelich 20 zusammen 138
Ev.prot. ehel.: 22 unehelich 5 zusammen 27
Israel. Ehel.: 2 zusammen 2
Insgesamt: 167
In Durbach wurden 1866 20 kath. und 1 israel. Paar getraut, in Ebersweier waren es 4 Paare.
Die Anbindung an größere Straßen war wie heute ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und für alle Stabsgemeinden gleichermaßen von Bedeutung. Die Streitigkeiten wegen der Straßenherstellung in Bottenau dauerten mehrere Jahrzehnte. Zur Herstellung des Gemeindefriedens begaben sich der Großh. Oberamtmann Pfister von Oberkirch und der Großh. Oberamtmann Faber von Offenburg am 27. Oktober 1851 zu den Fröschhof auf dem Maisenbühl. Es wurde mit den Vertretern aller Stabsgemeinden, insbesondere mit den Vertretern vom Butschbach, Herztal, Bottenau und Durbach unter Berücksichtigung der alten Akten und Gebräuche verhandelt und schließlich ein „Übereinkommniß“ erzielt. Der Vertrag vom 22. April 1847, welcher die Unterhaltung und Herstellung der Bottenauer Thalstraße, der Brücken und Dohlen auf und über dieselbe handelt, wurde nochmals bekräftigt.
Trotz Frohnarbeit und Mitwirkung der Gesamtgemeinde blieben die Straßenverhältnisse sehr bescheiden. Im Jahre 1872 bemühte sich die Gemeinde deshalb in mehreren Schreiben an die Stadt Oberkirch und an Offenburg um die Herstellung einer neuen Verbindungsstraße von Offenburg über Durbach-Bottenau nach Oberkirch. Die Stadt Oberkirch unterstützte dieses Begehren von Durbach. Indessen schwelte immer noch ein Streit zwischen Durbach – Bottenau – und der Gemeinde Diebersbach und Herzthal-Maisenbühl sowie Oberkirch, wegen der Wegeunterhaltung im Bottenauer Tal. Am 1. April 1873 beschloss der Durbacher Gemeinderat, dass man den Ansprüchen der Gemeinde Diebersbach und Herzthal mit Maisenbühl gerichtlich begegnen wolle. Eine Zusammenkunft mit den Städten Oberkirch und Offenburg wegen der Straßenverbindung wurde auf den 4. Mai 1873 vereinbart. Straßenmeister Faßel errechnete für den Neubau einer Verbindungsstraße zwischen Offenburg und Oberkirch Kosten in Höhe von 23.000 Gulden. Die betroffenen Gemeinden stellten nun einen offiziellen Antrag an den Hohen Kreisausschuss Offenburg zur Herstellung dieser Straße. Man verwies darauf, dass sich nach Einführung der Eisenbahn die Verhältnisse erheblich verändert hätten. Während früher die einfachen Verbindungen zu einer Landstraße genügten um den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten zu fördern, müssen heute zum Transport von Waren bis zur Eisenbahn die notwendigen Wege geschaffen werden. Es wurde außerdem auf die Neueinteilung der Gerichtssprengel und Notariatsdistrikte verwiesen, welche den Verbindungsweg zwischen Offenburg über Durbach-Bottenau nach Oberkirch notwendig machten. Die drei Gemeinden Durbach, Oberkirch und Offenburg baten den Kreisausschuss deshalb „Hochgefälligst bewilligen zu wollen, dass aus der Kreiskasse zur Herstellung der Verbindungsstraße von Offenburg über Durbach nach Oberkirch ein Beitrag von 16.000 Gulden geleistet werde.
Die Linienführung dieser neuen Straßenverbindung zeigte zu Beginn erhebliche Abweichungen von dem heutigen Straßenverlauf auf. So war vorgesehen, vom Anwesen Bartholomäus Roth in Bottenau bis zum „Starzengrund“ in Durbach eine 2.672 Meter lange Strecke neu herzustellen. Eine weitere Neubaustrecke mit 2.400 Meter war vom Anwesen Müller, Unterweiler über den Bohlsbacher Wald nach Rammersweier vorgesehen.
Am Sonntag, den 11. Oktober 1873 wurde die fragliche Straßenstrecke vom Kreisausschuss besichtigt. Der Kreisausschuss bekundete zwar sein Interesse am Straßenbau, konnte jedoch keine konkreten Zusagen machen. Mehrere Anfragen an den Kreisausschuss führten in den Folgejahren zu keinem Ergebnis. 1886 wurde von Rammersweier in Aussicht gestellt, dass für die Brücke über den Weierbach, deren Umbau ohnehin bevorsteht, ein entsprechender Beitrag geleistet wird. 1887 wurde vom Bezirksamt der Neubau von der Rammersweirer Kapelle bis zur Straße im Unterweiler projektiert. Die Kosten hierfür waren mit 4.080 Mark veranschlagt. Gleichzeitig wurden verschiedene Straßenverbindungen zwischen Offenburg und Oberkirch geprüft, was jedoch zu keinem Ergebnis führte. Wegen den großen Schwierigkeiten und zu erwartenden Kosten erklärten die Gemeinden Durbach und Offenburg im Februar 1887 schließlich, man möge vorerst die Straße auf Gemarkung Ebersweier gehörig ausbauen. Für die Verbesserung dieser Straße wurden deshalb zunächst vom Kreis Anstrengungen unternommen. Im Jahre 1904 bemühte sich der Durbacher Gemeinderat nochmals um die Herstellung dieser Straße. Es wurde daraufhin vom Kreisausschuss ein Beitrag von 1.000 Mark bewilligt, welcher allerdings nur zu unwesentlichen Verbesserungen der vorhandenen Straße führte. Bemängelt wurde insbesondere, dass weder die Breite des Weges noch dessen Gefällverhältnisse ( 8 – 12 %) sich für größere Fuhrwerke eignen. 1908 nahm die Stadt Oberkirch nochmals einen Anlauf beim Großh. Bad. Bezirksamt Offenburg um den Straßenausbau über Bottenau voranzutreiben. Favorisiert wurde hierbei eine Straßenverbindung über den Zinken Hespengrund in Durbach, weil diese Strecke viel weniger Steigung als die Verbindung über den Zinken Heimbach aufweisen würde. Ein Entwurf von 1886 zeigte Neubaustrecken für die Verbindung Offenburg – Oberkirch mit insgesamt 4.080 m vor. Für Rammersweier bedeutede dies lediglich eine bequeme Verbindung nach Durbach und die bessere Erreichbarkeit der Felder. Für Bohlsbach war lediglich ein Nutzen für die Holzabfuhr zu erkennen, weshalb Bohlsbach auch kein sonderliches Interesse zeigte. Ebersweier sah lediglich einen kleinen Vorteil für den Feldverkehr, wollte jedoch deshalb keinen Beitrag zum Straßenbau leisten. Im Einvernehmen mit dem Stabhalter von Bottenau bat der Durbacher Gemeinderat im Dezember 1908 nochmals um Prüfung des Straßenverlaufs. Die Straße sollte von der Mitte der Stadt Oberkirch über den Fußgängersteg der Rench, am Fürsteneck vorbei, in die Bottenauer Talstraße einmünden und dann über den Rohrbach, den Bottenauer Hardtwald, am Illental vorbei und über den Hespengrund wieder in die Kreisstraße in Durbach einmünden. Als Begründung für diese Linienführung wurde bemerkt, dass dies die kürzeste Verbindung mit weniger Steigung als über Heimbach-Bottenau sei angeführt. Der 1. Weltkrieg verhinderte wieder den Straßenbau. Im Jahre 1919 schlug die Stadt Oberkirch mit Unterstützung des Durbacher Gemeinderats den bereits projektierten Bau der Straße als „Notstandsarbeit“ für Arbeitslose vor. Während ein Ausbau der Straße von Durbach nach Bottenau-Oberkirch noch in weiter Ferne lag, konnte im Jahr 1926 endlich eine bessere Verbindung vom Ortsteil Unterweiler über den Rammersweirer-Wald geschaffen werden. Zeugnis dieser historischen Straßenverbindung ist der hohe Granit-Wegweiser bei der Brücke im Unterweiler und die Jahreszahl 1926 im Brückenbauwerk über den Durbach. Die alte Wegführung nach Offenburg, über den Vollmersbacher Kirchweg, Brendel und den Maisenbühl bei Rammersweier, verlor danach an Bedeutung.
Trotz mehrfacher Anmahnung von Seiten der Gemeinden Durbach und Oberkirch wurde der Straßenbau nicht realisiert. Im August 1933 lud schließlich der Bürgermeister von Oberkirch zu einer Besprechung wegen Durchführung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ein. Jetzt wurden vom Wasser- und Strassenbauamt Achern konkrete Pläne mit mehreren Alternativen vorgelegt. Vorgeschlagen wurde sodann der Ausbau über das Heimbachtal nach Bottenau. Als Kosten wurden 200.000 Mark veranschlagt. Weiter waren 50.000 Mark für Grunderwerb vorgesehen. Damit behielt man im Wesentlichen die alte Straßenführung über den Heimbach und die „Passhöhe“ bei der Brandstetter Kapelle zwischen Durbach und Bottenau bei. Lediglich im Bereich des Brandstetter Hofes wurde mit einer Kehre ins Rebgelände der bisherige Straßenverlauf von der Talsohle wegverlegt. Damit konnte die enorme Steigung etwas gemindert werden. Ebenso wurden im Bereich des Heimbachs verschiedene kleine Korrekturen zur Minderung des Gefälles vorgenommen. Die alte Marienkapelle am Eingang des Heimbachtales musste ebenso weichen wie das Anwesen der Familie Huber beim Zufahrtsweg zum Schloss Staufenberg.
Vollendet wurde die Straße schließlich in den Jahren 1939 bis 1941. Ursprünglich als Landstraße 98b ausgeführt, wurde diese vor einigen Jahren wieder zur heutigen Kreisstraße 5364 herabgestuft. Für den Gütertransport zwischen Offenburg-Durbach-Oberkirch hat die immer noch steile und kurvenreiche Straße heute nur noch eine relativ geringe Bedeutung. Wer jedoch an schönen Wochenenden bei der Brandstetter Kapelle als Fußgänger die Passhöhe überschreitet, der hat Mühe eine Lücke zwischen den vielen Ausflüglern zu finden.
Fundstellen/Hinweise
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Gemeindearchiv Durbach XVII.4 Die Herstellung einer Kreisstraße Offenburg- Durbach – Oberkirch
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Gemeindearchiv Durbach VII.6 Wegstreitigkeiten und Beschwerden
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Stab/Stabsgemeinde = Die einzelnen „Stäbe“ sind vergleichbar mit heutigen „Ortschaften“. Der „Stabhalter“ ist vergleichbar mit dem heutigen Ortsvorsteher.
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Heimburger = Bezeichnung für den Rechner der Gemeinde, manchmal auch für den Dorfvorsteher . Heimburg = Bezeichnung für den Hauptort von Durbach, beginnend von der Gem. Grenze bei Ebersweier bis zum Ortsteil „Gebirg“. Die einzelnen „Stäbe“ bildeten bis 1935 eigene Gemarkungen. Ab 1858 auch mit eigenen Flst.Nr. (Lagerbuch-Nr.)
Josef Werner,
März 2013