Der Kampf für den Schälwaldbauer
von Ritterbauer Kuderer
Ich war der Älteste von 7 Brüder und musste frühzeitig schwer arbeiten, somit ich mir in jungen Jahren schon eine Magenblutung zuzog, an deren Folgen ich mein ganzes Leben lang zu leiden habe und nicht schwer arbeiten durfte und sehr diät leben musste. Um dies überwinden zu können dafür sorgte meine ganz seltsam tüchtige Frau.
Mein Hof war ursprünglich ein Weid- und Reuthof, welcher aber mit der Zeit mit Farn und Gestrüpp überwucherte, so daß Weide und Fruchtpflanzung versagten. Mein Vater sagte öfters, dass dieser Hof die Steuer nicht mehr rentiere und dass sein Vorfahre den Hof schon in den 1840er Jahren mit den anderen Höfen an der Brandeck verkaufen wollte.
Da aber ein Leibgeding seines Vorfahrens darauf ruhte, war ihm der Verkauf unmöglich und übergab den Hof anno 1849 an seine Tochter Klara nachdem der einzige Sohn seine Frau und der Oberknecht das gleiche Jahr an den Blattern gestorben ist. Mein Vater war ein Sohn vom Springhof und brachte schönes Vermögen auf den Ritterberg und konnte gemütlich weiter wirtschaften er verlegte sich wie damals üblich mehr auf Kapitalanlage als auf Kultivierung des Hofes. Da im Jahre 1875 das große Hofgut am Hohberg feil wurde, kaufte mein Vater die Gebäude dort als Leibgeding, und da mir eine vermögende brave Frau vom Dinnberghof in Aussicht stand, übergab er mir anno 1879 den Hof mit Leibgeding für 32.000 Mark.
Da wir beide damals zeitweise ziemlich gesund und hoffnungsfroh waren, wollten wir doch diesen so schön gelegenen Hof wieder zu Ertrag und Ansehen bringen und gingen ernstlich daran, auszuroden, Wege anzulegen, Bäume und Wälder anzupflanzen und eine große Viehweide einzuzäunen. Da die Pflanzungen zu teuer zu stehen kommen, gingen wir daran Bäume und Waldpflanzen selbst zu züchten. Meine Frau sammelte Obstkerne und ich holte die Tannenzapfen von den höchsten Gipfeln herunter, kaufte Eicheln und Kastanien Wagenweise, welche antraten und Gott sei Dank alle glückten, so dass ich neben meiner umfangreichen Anpflanzung später Bäume und Pflanzen in die ganze Umgegend verkaufen konnte. Da meine Frau große Unternehmungslust besaß und nicht davor zurückschreckte, wenn sie auch oft 8 bis 12 Taglöhner monatelang beschäftigen musste, nebstdem ich oft krank war und meine Frau mit der Stockhaue selbst vorarbeitete. Nachdem ich 40 ha Gestrüpp und Öde angepflanzt hatte, ging einmal der Abgeordnete Geck am Hause vorbei, grüße meine Frau als Nachbarin und besprachen die schwere Arbeit der Eichenpflanzung auf dieser großen Öde. Herr Geck meinte, die Rindengerbung gibt doch ein viel besseres Leder als das Quebracho. Da aber der Rindenpreis zwischen 1876 und 1890 von 12 auf 3 Mark zurückgegangen ist, sage meine Frau: „Ja die Rinden gelten aber bald nicht mehr, Herr Geck könnte uns im Reichstage auch einmal ein gutes Wort für Gerbstoffzoll einlegen. Herr Geck belehrte aber meine Frau, dass er als Sozialdemokrat nicht für Zölle eintreten könne, wir sollen uns an unsre Zentrumsabgeordneten wenden, diese können es machen wenn sie wollen. Diese Antwort des Herren Geck ließ ein Hoffnungsschimmer in uns entstehen, so dass wir uns an diese Partei wendeten und uns auch in Verhandlungen über Zollsachen sehr interessierten. Hibei haben wir aber schlechte Erfahrungen gemacht, da das Zentrum nur schöne Worte aber kein guter Wille für uns hat. Der Zolltarif anno 1900 und die Verhandlung des badischen Landwirtschaftsrates damals brachten uns erst recht wieder in das Unglück. Wir mussten uns über 30 Jahre lang eine übergroße Besteuerung und diese Gerbstoff-Konkurrenz zu Gunsten der Großgerbereien gefallen lassen. Da die Bauern sich es ruhig gefallen ließen, dass unser Abg. Schüler für 1,50 Mark Quebrachozoll eintrat, während die anderen doch wenigstens 2 Mark forderten, was auch im Reichstag angenommen wurde und fast gar kein Zoll bedeutete, habe ich mich in den unparteiischen Mittelbad. Nachrichten über Abg. Schüler beschwert. Es ging mir erst recht über die Hutschnur, nachdem unsere Offenburger Zeitung den Zollsatz 1,50 M. allein neben anderen Zollsätzen verheimlichte, als ob wir dumme Bauern diesen Zollsatz nicht zu wissen bräuchten aber auch nicht wissen dürften. Der Artikkel in der Mittelbadischen gab aber Feuer ins Dach und die Zentrumspresse wollte als unfehlbar sich diesen Vorwurf nicht gefallen lassen und getraute sich in dieser Verlegenheit im Berichte der Zeitungen als ein Druckfehler hinzustellen und ich sollte immer der größte Schwindler und Vertrauter des Sozialdemokraten Geck sein. Diese Bezeichnung wirkte um so krasser auf mich ein, da ich doch mit Herr Geck niemals im geringsten ein Wort über Politik gesprochen habe. Ich stütze mich auf die Wahrheit und die Zentrumszeitungen, begann die Schlechtigkeit, mich moralisch zu vernichten. Das Eingeständnis und eine billige Entschuldigung hätte jedoch genügt, die Sache beruhen zu lassen, nachdem ich doch krank lag.
Die Streiterei nahm ihr Ende nachdem sich Herr Pfarrer bei mir beschwerte, dass ich der Zentrums Partei Schaden mache, Daraufhin meine Frau die Sache beruhen haben möchte, während dem ich daran war die allerfrechtste Lüge nochmals zu brandmarken. Wie ja ersichtlich, schrieb die Offenburger Zeitung, dass die Verhandlung des Landwirtschaftsrates vom 12., 13. und 14. Dezember in ihrem Geschäftszimmer zu jedermanns Einsicht aufliegen und Herr Kuderer kann sich seines Unrechtes überzeugen.“ Ich war wohl meiner Sache sicher war aber begierig zu erfahren mit welchem Schwindel wieder aufgetischt wird und meldete sofort mich zur Einsichtnahme. Aber diese Lüge war schon wieder so weit vorbereitet, dass mir dort berichtet wurde, Herr Landgerichtsrat Widmann habe das Schriftstück abgeholt. Als ich nach der Wohnung des Herrn Widmann fragte, erfuhr ich dieselbe nicht. Man sagte mir blos er sei verreist. Dieser Schwindel der Zentrumszeitungen welche sich doch als alleinige Beschützerinnen der Religion brüsten, hätte beinahe hingereicht, dass ich die ganze Religjon über Bord geworfen hätte, wenn nicht Jesus den Judas als Beispiel gegeben hätte, dass unter seinen Jüngern auch schlechte Menschen sind.
Auch habe ich mich im Jahre 1905 persönlich von einem Wunder durch die Fürbitte der lieben Mutter Gottes wie folgt überzeugt. Ich war genötigt 5 Steht Holz und 75 schwere Wellen an die Talstraße zu führen wobei mir zwei Töchter behilflich waren. Meine Frau empfahl uns beim Abfahren der Mutter Gottes und dem Schutzengel. Wir ladeten das Holz auf den Wagen und die 75 schweren Wellen auf den Schlitten und fuhren einen steilen Weg mit 3 Stück Vieh hinunter. Meine Tochter Klara wollte die Vorderbremse noch weiter anziehen, hierbei kam sie aber vor das Vorderrad zu Fall. Das Rad erfasste sofort ihre Kleider und drückte sie in ein steiniges Geleise. Meine zweite Tochter Magdalena sprang vom Vieh weg, stürzte sich unter den Wagen und wollte meine Tochter behutsam hervorziehen. Der Wagen kam aber in schnelleren Lauf und es stand so nahe daran, dass das Hinterrad die beiden auch noch erfasste und der Magdalena schon ein Fuß abschürfte. Ich war bei dem Schlitten und kam aber im letzten Augenblick noch dazu, fand keine andre Zeit mehr als Kleider anzufassen was ich im Moment noch erwischen konnte, und so hatte ich zum Glück Kleider von jeder Tochter erfasst, so dass ich durch ein Ruck die beiden Töchter zur Seite werfen konnte. Hätte ich nur von einer Tochter Kleider erwischt, wären die andere rettungslos zermalmt worden da der Schlitten nahe am Wagen angehangt war und das Fuhrwerk ohne Leitung im Gang blieb. Es war gewiss kein natürlicher Zufall, dass ein gebremster Vorderwagen mit 60 Zentner Ladung meiner Tochter quer über den Leib ging und in ein tiefes Geleise drückte ohne sie zu töten. Wenn ich nicht im letzten Augenblick die Gnade gehabt hätte, meine Töchter zur Seite zu werfen, wäre wohl das grässlichste Unglück gekommen.
Anmerkungen des Ritterbauern Andreas Kuderer zur Nr.51 der Beilage zum Protokoll – Sitzung der Zweiten Kammer des bad. Landtags vom 26. Juni 1914.
Obige Unterstützung für Hochwaldpflanzungen steht blos auf dem Papier. Ich. (Antragsteller) habe 16 ha Hochwald angelegt aber kein Jota vom Staate erhalten. Sogar die gesetzliche 20jährige Steuerfreiheit wurde mir 1896 nicht genehmigt.
Die Neupflanzung in Hochwald hat mich selbst zehntausend Mark gekostet.
Die Steuern, Zinsen und Zinseszinsen seit der Anpflanzung vor 40 Jahren belaufen sich über das doppelte. Im Jahre 1913 sind mir 2 ha vom Sturm vernichtet worden. Die letzten 20 Jahre sind 3 ha Weißtannen der laus zum Opfer gefallen und im Jahre 1936 hat der Schnee die übrigen 11 ha zum abräumen und wiederanpflanzen verdorben. Da durch diese Verluste meist nur junges geringwertigeres Holz zum Opfer gefallen ist, reicht der Reinerlös kaum für zum Wiederanpflanzen und 40 Jahre zu versteuern. Alsdann sind 2 Menschenalter dahin ohne jeden Reinertrag.
Der Schälwald hingegen steht noch wie vor 100 Jahren, oder wie seiner Anpflanzung und kann alle 20 Jahre ohne jeden Unfall abgeholzt werden, da demselben kein Sturm, keine Laus und kein Schneefall etwas anhaben kann, trotzdem er früher zum aussterben verurteilt wurde, steht er jetzt wieder an 1ter Stelle. Der Hochwald brachte immer dem Staate den Nutzen da er von der Pflanzung an schon sehr hoch in die Steuer genommen wurde, wie ein Weinberg aber kein Reinertrag abwarf. Ich musste 200 Stehr Holz zu minderwertigem Papier und Brennholz zusammensägen lassen. Diese Öde wieder mit 16000 Pflanzen zu bestellen fällt schwer, da der übermäßige Rehestand alles wieder vernichtet ohne dass Schaden ersetzt wird für Wald.
Abschrift:
Josef Werner, Ratschreiber, Januar 2007