75 Jahre nach Kriegsende – was war da noch?
Die Generation der „Zeitzeugen“ kann immer weniger nach den „Erinnerungen“ befragt werden. Immer häufiger müssen deshalb „alte Akten“ zur Dokumentation der Geschichte und dem Untergang des „Dritten Reiches“ herangezogen werden. Abgesehen von den vielen Toten und vermissten Soldaten, hatte das Durbachtal relativ geringe Schäden durch Kriegseinwirkung zu verzeichnen. Wie schwierig die Situation des Tales und der Bevölkerung in den letzten Kriegsmonaten und in der nachfolgenden „Besatzungszeit“ war, das können wohl fast nur noch die lebenden Zeitzeugen ermessen. Durbach hatte um 1945 ca. 2.300 Einwohner. Dazu kamen ab Ende 1944 1.094 Evakuierte aus insgesamt 29 umliegenden Gemeinden. Diese Evakuierten kamen „mit Sack und Pack“ nach Durbach und mussten hier untergebracht und versorgt werden. Manch Bauer aus den Landgemeinden hatte vor der „Flucht“ ins Durbacher Hinterland seine Sau geschlachtet und brachte seine dürftigen Lebensmittelvorräte mit. Doch Kühlschränke oder Gefrierfach waren „Fehlanzeige“! Viele waren froh, überhaupt ein Dach über den Kopf zu bekommen. Konflikte mit den „Quartiergebern“ waren nicht selten, es entwickelten sich aber auch Freundschaften, die lange über die Evakuierungszeit hinaus reichten. Für die in den Krieg ziehenden Durbacher Soldaten wurden ab 1940 verstärkt „Ausländische Arbeitskräfte“ geholt. Lange Listen und viele Karteikarten im Gemeindearchiv geben Auskunft über die mit einem von der Regierung vorgegebenen „Arbeitsvertrag“. Über dessen Bedingungen wird an anderer Stelle berichtet. An die französische Besatzungsmacht wurden 1945 mit einer Liste insgesamt 78 „Ausländische Arbeitskräfte“ gemeldet. Die vorliegenden Karteikarten zeigen jedoch, dass in der Zeit von 1940 – 1945 über 150 Polen, Ukrainer, Weisrussen und Russen in Durbach beschäftigt waren. Nicht angeführt waren in den Listen die bereits wieder weggezogenen Franzosen, die als Kriegsgefangene teilweise ebenfalls die Landwirtschaft unterstützen mussten. Den alten Akten und Karteikarten sind manchmal nur kurze Vermerke über Inhaftierung, Strafmaßnahmen und sogar ein Todesurteil durch Sondergericht zu entnehmen. Die Bedingungen für die Zwangsarbeiter waren denkbar streng und konnten nur durch evtl. gute Gesinnung der Arbeitgeber etwas gemildert werden. Dieses „Sammelsurium“ an Einwohnern und Nationen galt es nun am Kriegsende zu verwalten und zu versorgen. Der von der Besatzungsmacht eingesetzte Bürgermeister Singler hatte seine liebe Not, die Versorgungsengpässe, die dürftigen Unterkünfte und die gleichzeitigen Ansprüche der Besatzungsmacht zufriedenstellend zu verwalten. Dazu kam nun die Bitte des Landrats, mit einer Haussammlung die Deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich zu unterstützen. „Es handelt sich um die Versorgung unserer Kriegsgefangenen, die sonst den Härten des Winters und der Kälte ausgesetzt sein werden. Die Folgen des totalen Krieges und die Millionenzahl der Gefangenen, verbunden mit der auch in Frankreich bestehenden allgemeinen Notlage, macht es uns zur Pflicht, alles daran zu setzen, um im Rahmen der Möglichkeit unseren Kriegsgefangenen von uns aus zu helfen, deren Leben und Gesundheit auf dem Spiele steht.“ Nicht jeder Haushalt sah sich in der Lage für diese Sammlung etwas zu entbehren. Das Sammelergebnis ist dem hier abgedruckten Schreiben vom 20. November 1945 zu ersehen. 07.06.2020 Josef Werner |